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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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sind. Nach Überwinden der engen Stiege bietet sich dem Besu­ cher hier der Blick durch die Rundbogenstellungen der Loggia auf den von den Arkaden des Kaschauer Domgangs begrenzten inne­ ren Burghof. Hinter der Halle liegt gegen Westen das Parzivalzim­ mer. 〚89 〛 Der Raum ist dabei weniger als fiktiver Aufenthaltsort des Helden in Wolfram von Eschenbachs Epos zu interpretieren, sondern verweist aufgrund des entschieden spätgotischen Cha­ rakters seiner Ausstattung und Ausmalung viel eher auf die Re­ zeption des Parzival­ Stoffes am Ende des Mittelalters, insbeson­ dere in der Zeit Kaiser Maximilians I. und stellt damit gleichsam die Bezüge zwischen hochmittelalterlichem und spätmittelalter­ lichem Rittertum aus.429 Damit ist hier eine weitere Spur zu ei­ nem tieferen Verständnis Kreuzensteins zu finden, das als Modell einer Burg des Mittelalters auch seinen idealen literarischen Ge­ stalten – hier vermittelt durch die wiederum historisierend­ re­ trospektive Betrachtung des Spätmittelalters – Unterkunft gibt. Zurück in der Loggia, erreicht man zunächst die im Nordwest­ turm gelegene sechseckige, kuppelgewölbte, mit ornamentierten Bodenfliesen und einem offenen Kamin ausgestattete Vorhalle des Großen Saales, deren aus Zirbelholz geschnitzte Vertäfelung aus Thüringen stammt.430 In einem der Fenster des um einige Stufen erhöhten Erkers, von dem aus eine Türe in die darüber­ liegende Herrenstube ( siehe unten ) führt, erinnert eine Wappen­ scheibe an den Besuch des deutschen Kaisers Wilhelm II. im Jahr 1906.431 Durch einen von Säulen getragenen Rundbogen tritt der Besucher aus der Vorhalle kommend auf eine aus Nürnberg stam­ mende hölzerne Estrade,432 die einen Einblick in den ein halbes Geschoß tiefer liegenden profanen Hauptraum der Burg eröffnet. 〚 90, 91 〛 Der längsrechteckige, dreieinhalb Joche umfassende Saal wird von einem Tonnengewölbe mit aufgesetzten Schlingrippen überspannt, das auf seitlichen Wandpfeilern ruht. Wie die Ka­ pellenwände durch tiefe, nischenartige Blendarkaden gegliedert sind, so werden hier die Längswände durch Wandpfeiler rhyth­ misiert, die an der nördlichen Außenwand zu tiefen Fensterni­ schen erweitert sind. Die Erinnerung an Benedikt Rieds Wladis­ lawsaal auf der Prager Burg, die sich beim Anblick dieses Raumes trotz aller gravierenden Unterschiede einstellt, war vom Bau­ herrn gewünscht.433 Die Wände sind mit Holz vertäfelt, auch der Boden ist aus Holz. Beherrschendes Ausstattungsstück ist der an der Ostwand zwischen zwei – wie zur Kontrastwirkung auffäl­ lig klein dimensionierten – schulterbogigen Portalen aufgestellte monumentale sogenannte Sakristeischrank aus Neustift bei Bri­ xen, eines der bedeutendsten Werke spätgotischer Möbelkunst, der ursprünglich als Heiltumsschrein gedient hatte.434 Der große Ofen mit figürlichen Kacheln an der südlichen Saalwand ist die 140 Eine moderne Burg
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Kreuzenstein
Subtitle
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Author
Andreas Nierhaus
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
258

Table of contents

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und BauhĂĽtte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. AuĂźenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. FrĂĽhe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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