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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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Wohnung, während sich der bürgerliche Orientalismus oftmals mit Einzelstücken wie orientalischem Mobiliar behelfen musste. Im Keller des Gadem schließlich erinnert die große, voll funk­ tionstüchtige Küche an die historische Nutzung des Wirtschaft­ straktes einer mittelalterlichen Burg. 〚 108 〛 Hier wurden zahlrei­ che Herd­ und Küchengeräte aufgestellt, ein » kulturgeschichtli­ ches « Sammelgebiet, das Wilczek viele Jahre vor den öffentlichen Institutionen erschlossen hatte : » Die ganze Anlage des Raumes mit seinen Nebenkammern, die Art der Aufstellung der Geräte entspricht älteren Zeiten ; das Inventar der Küche mit dem Be­ sitzstand des XV. Jahrhunderts mit dem Zuwachs, den sie natur­ gemäß im Laufe der Zeiten erhalten mußte. Mit 1645, dem Jahre, in welchem die Burg von den Schweden gesprengt wurde, ist die Grenze gedacht. «468 Eggert schreibt angesichts der zu suggestiven Schauplätzen zu­ sammengestellten Interieurs von Kreuzenstein, dass » die » Funk­ tion ‹ der Räume [ … ] Evokation von Stimmungen aufgrund künst­ lerisch schöpferischer Imagination «469 sei. » Stimmung « – der Autor bezieht sich dabei implizit auf die zeitgenössische Interieur­ Theorie Jacob von Falkes470 – wird hier nicht zuletzt auch durch eine fiktive Funktionstüchtigkeit und Nutzung hervorgerufen, und eben durch die Abwesenheit der Bewohner, die durch die An­ wesenheit einer Überfülle von Objekten ausgeglichen wird. Dass die reiche Ausstattung dem historischen Befund einer mittelalter­ lichen Burg kaum entspricht, sondern in jeder Hinsicht erfunden ist, verstärkt auf paradoxe Weise den Eindruck des Authentischen mehr, als ihn zu reduzieren. Durch ihre Funktion als Aufstellungs­ und Präsentationsort von Wilczeks Sammlungen tragen die Inte­ rieurs eine museale Bestimmung, eine nach wissenschaftlichen Kriterien klassifizierte und geordnete Aufstellung sucht man hier jedoch vergebens : Vielmehr sind sämtliche Objekte in schein­ bare Wohn­ und Funktionszusammenhänge gebracht und wer­ den so zu Bestandteilen der physischen Evokation einer mittel­ alterlichen Burg. Ganz im Sinne von Walter Benjamins Analyse des Interieurs im Historismus verschmelzen Wohnen und Sam­ meln hier miteinander ;471 und doch ist das Wohnen in Kreuzen­ stein bloß fingiert und durch die Dinge der Sammlung ebenso wie durch Spuren vermeintlicher Nutzung lediglich vorgestellt. Wie die Architektur zu Bildern zusammengestellt erscheint, so sind auch die Interieurs der Burg zuallererst wie in Bildern arrangiert, auf Betrachter und nicht auf Benützer ausgerichtet, deren Abwe­ senheit eine bisweilen fast unheimlichen Präsenz erzeugt. Hier nun lässt sich erneut eine Brücke zu Jacob von Falkes schlagen, der in seinem Standardwerk » Die Kunst im Hause « 164 Eine moderne Burg
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Kreuzenstein
Subtitle
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Author
Andreas Nierhaus
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
258

Table of contents

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und Bauhütte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. Außenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. Frühe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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