Page - 184 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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mit historischen Objekten, der darauf abzielte, ein historisch geÂ
stimmtes » Milieu « herzustellen,555 gut mit dem zwar niemals beÂ
wohnten, dafĂĽr aber als fiktive Wohnung ausgestalteten KreuzenÂ
stein vergleichen lassen. Beispiele allein aus dem Bekanntenkreis
Wilczeks mĂĽssen an dieser Stelle genĂĽgen, um die ZusammenÂ
hänge klar zu machen. So besaßen die allesamt nicht erhaltenen
Wiener Palais der Kunstsammler Karl Graf Lanckoroński, Baron
Eugen Miller zu Aichholz und Baron Nathaniel Rothschild InnenÂ
ausstattungen, die zwar nicht in einer mittelalterlichen FormenÂ
sprache gestaltet waren, aber durch den geradezu exzessiven EinÂ
satz » authentischer « historischer Ausstattungsteile und deren
Arrangement den Interieurs der Burg Kreuzenstein an die Seite
gestellt werden können. In jedem Fall handelte es sich um die
Wohnräume von Sammlern, in denen diese in Gesellschaft der
von ihnen zusammengetragenen Dinge lebten. LanckoroĹ„ski, eiÂ
ner der bedeutendsten Sammler Wiens, lieĂź sich zwischen 1894
und 1895 von den Architekten Fellner & Helmer in unmittelÂ
barer Nähe des Oberen Belvedere ein Palais in den Formen des
Wiener Barock errichten, gefĂĽllt, wie Hugo von Hofmannsthal
schrieb, » mit Schätzen und dĂ©bris der Vergangenheit «.556 Die InÂ
terieurs waren formal den jeweils präsentierten Schwerpunkten
der Sammlung angepasst, den » Freskensaal « schmĂĽckten WandÂ
gemälde Domenichinos aus dem Casino der Villa Aldobrandini in
Frascati.557 〚 114 〛 Das Stiegenhaus des 1877 bis 1880 von Andreas
Streit errichteten Palais fĂĽr den Sammler Miller zu Aichholz in
der Prinz Eugen Straße wiederum war in seinen Dimensionen auf
drei Gemälde aus einem monumentalen Zyklus Giovanni Battista
Tiepolos aus der Ca’ Dolfin in Venedig abgestimmt, die der BauÂ
herr 1876 in Paris erworben hatte.558 In Nathaniel Rothschilds PaÂ
lais in der Theresianumgasse, 1871 bis 1879 nach den Plänen des
Pariser Architekten Jean Girette errichtet, war nicht nur die ForÂ
mensprache des AuĂźenbaus dem frankophilen Bauherrn geschulÂ
det ; im Inneren bildeten originale Wandvertäfelungen aus Pariser
hĂ´tels den passenden Rahmen fĂĽr eine umfangreiche Sammlung,
die einen deutlichen Schwerpunkt in der französischen Kunst
des 18. Jahrhunderts hatte ; 〚 115 〛 das nach EntwĂĽrfen HippolyteÂ
Alexandre Destailleurs zwischen 1876 und 1884 errichtete Palais
von Nathaniels Bruder Albert in der nahen Prinz Eugen Straße
wiederum war als klassische maison entre cour et jardin konzipiert
und im Inneren ebenfalls mit originalen französischen Boiserien
ausgestattet.559 Im Unterschied zu Kreuzenstein blieben die hier
genannten Paläste der Öffentlichkeit in der Regel verschlossen.
Wilczek entschied sich ganz bewusst gegen eine solche InszenieÂ
rung und stellte stattdessen seine Sammlungen dem breiten PuÂ
blikum zur Verfügung. Wenn die Wohnräume der Sammler wie
184 Herrschaft der Dinge
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Kreuzenstein
- Subtitle
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Author
- Andreas Nierhaus
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 258