Page - 9 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945

9 So sehr, dass wir die Anfänge der fotografischen Bildberichterstattung gerne aus den Augen verlie- ren. Um die enorme Bedeutung des Fotojournalis- mus ermessen zu können, müsste man ein kleines Gedankenexperiment anstellen: Denken wir uns aus allen Medien die Bilder weg. Übrig blieben nur dürre, für unser heutiges Auge schwer lesbare Textwüsten. Erst ein historischer Rückblick auf die große Zeit der Pressefotografie zeigt, wie im 20. Jahrhundert die fotografische Öffentlichkeit entstand, die uns heute selbstverständlich erscheint. Das Vorhaben dieses Buches, nämlich den Blick noch einmal zurückzuwer- fen in die turbulente Anfangszeit der Fotografie als auflagenstarkes Massenmedium, hat also nichts mit Nostalgie zu tun. Diese Publikation will die Leserin- nen und Leser nicht in eine angeblich gute alte Zeit entführen, sondern die Entstehungsgeschichte der öf- fentlichen Bildwelt des 20. Jahrhunderts beispielhaft nachzeichnen. Damit leistet sie auch einen Beitrag zum Verständnis der Gegenwart. Denn die Bedeutung der Fotografie – mittlerweile in digitaler Form – als öffentliches Medium ist heute immer noch unge- brochen, auch wenn sich die Formen und Foren der Öffentlichkeit inzwischen deutlich verändert haben. Die klassische illustrierte Presse ist, in Zeiten des In- ternets und der sozialen Netzwerke, nicht mehr das dominante Medium des 21. Jahrhunderts. Um aber die Entstehungsgeschichte der heutigen massenmedialen Bilderwelt zu verstehen, ist ein Blick in die Pionier- zeit der Pressefotografie unumgänglich.