Page - 165 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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165Zaghafte
Modernisierung
ebenfalls einen Innovationsschub erlebt, der auch
nach Österreich ausstrahlt. Blätter wie die auflagen-
starke Berliner Illustrirte Zeitung (Abb. 20) aus dem
Ullstein Verlag, die seit 1928 von Stefan Lorant ge-
leitete und grafisch hervorragend gestaltete Münch-
ner Illustrierte Presse (Abb. 21), die ebenfalls sehr
professionell gemachte Kölnische Illustrierte Zeitung
(Abb. 22) und das in Frankfurt erscheinende Illust-
rierte Blatt, aber auch die der deutschen KP naheste-
hende Arbeiter-Illustrierte Zeitung (AIZ) werden – zu-
mindest bis 1933 – auch in Österreich gelesen. Um
1930 geben diese Zeitungen die grafischen und ge-
stalterischen Standards vor.
Der Modernisierungsdruck, unter dem die Bild-
presse steht, hat aber auch mit Veränderungen des
Bildermarktes zu tun. Ab Mitte der 1920er Jahre
verändert sich die Vermarktung von Fotografien
grundlegend. Immer häufiger liefern die Fotografen
ihre Bilder nicht mehr direkt an die Redaktionen,
sondern verkaufen diese über zwischengeschaltete
Fotoagenturen. Zahlreiche solcher Agenturen werden in den 1920er und frühen 1930er Jahren gegründet,
auch in Österreich.83 Parallel dazu internationalisiert
sich der Bildermarkt immer stärker. Längst ist es in
den Redaktionen üblich, Fotos international tätiger
Fotoagenturen zuzukaufen. Während die meisten
Fotoagenturen weiterhin traditionelle Pressefotos
anbieten, gibt es andere, die auch mit avancierten
Formen des Bildjournalismus experimentieren. Dazu
gehören etwa die beiden 1927 bzw. 1928 in Berlin
gegründeten Agenturen Weltrundschau und Dephot,
die eine Reihe ausgezeichneter Fotografen vertreten
und immer wieder originelle Bildgeschichten und
Fotoreportagen nach Österreich verkaufen.84 Die seit
1929 bestehende Berliner Agentur Mauritius liefert
ebenfalls hochwertiges Bildmaterial nach Österreich.
Aber auch Wiener Unternehmen, wie etwa die Agen-
tur Schostal (die zunächst unter dem Namen Wiener
Photo-Kurier auftritt), tragen zu einer Qualitätssteige-
rung im Fotojournalismus bei, indem sie überdurch-
schnittlich viele Aufnahmen modern arbeitender Fo-
tografen aus dem In- und Ausland anbieten.85 Abb. 19 Im Frühjahr 1933 wird
über kommunistische und na-
tionalsozialistische Blätter
ein
Kolportageverbot
verhängt. Um
das Verbot des
Verkaufs durch
uniformierte Zeitungshändler
auf der Straße zu umgehen,
tragen nationalsozialistische
Zeitungsverkäufer
nun Zylinder,
um erkennbar zu sein.
Das
Zeitbild, 6.
Mai
1933, S.
15.
Abb. 20 Die führende
deutsche Illustrierte Berliner
Illustrirte Zeitung erreicht 1930
eine Auflage von knapp zwei
Millionen pro
Woche. Berliner
Illustrirte Zeitung,
25.
Mai
1930,
Titelseite. Foto: Weltrund-
schau-Neudatschin.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Subtitle
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Author
- Anton Holzer
- Publisher
- Primus Verlag
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Size
- 23.0 x 29.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Category
- Medien
Table of contents
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang