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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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171Bilder für alle Anlass für die Veröffentlichung des Fotos im Wiener Magazin ist die bevorstehende „Internatio- nale Photographische Ausstellung“ (IPHA), die vom 15. Juli bis 15. September 1929 in der Salzburger Residenz gezeigt wird. Ferdinand Hodeks Foto ist unter den ausgestellten Arbeiten.4 Wenige Wochen später, im ersten Augustheft 1929, kommt auch die Zeitschrift Die Bühne auf die Salzburger Ausstellung zu sprechen. Inzwischen ist die Schau eröffnet und der Kunstkritiker Wolfgang Born bespricht sie in sei- nem Beitrag „Gedanken über Photographie“ äußerst wohlwollend. Dem Text beigefügt ist, neben anderen Bildern, auch Ferdinand Hodeks Treppenszene.5 Während das Foto im Wiener Magazin als „Heimweg in der Mittagssonne“ beschrieben wird, lautet sein Titel in der Bühne schlicht „Rhythmus“.6 Der Unter- schied zwischen den Bildunterschriften ist bezeich- nend: Die Interpretation als rudimentäre Bilderzäh- lung (Heimweg – Mittagssonne) weicht dem Verweis auf ein urbanes Stillleben, das vor allem aus einer Abfolge von abstrakten Formen besteht. Born hebt die Aufnahme in seinen Ausführungen heraus und betont deren abstrakt-reduktionistisches Anliegen, das einen wichtigen Schritt hin zur „bildmäßigen Geschlossenheit“ markiert: „Zwei Männer schreiten parallel zueinander auf die Stufen einer Treppe zu. Ihr Schatten liegt auf dem Pflaster. Es herrscht eine fast mathematische Ordnung in der Komposition. Ein Stück Leben, ganz in eine Formel gepreßt. Die Wir- kung ist schlagend.“7 Genau diese schlagende Wirkung der Fotografie ist es, die ab Ende der 1920er Jahre in den Maga- zinen und Revuen ein neues Forum erhält. Viele dieser neuartigen Bilder stammen von Fotoamateu- ren. Ihr Thema sind nicht etwa Vorkommnisse der Tagespolitik, sie beobachten vielmehr den Gang des menschlichen Lebens, fixieren Seltsames und Skur- riles, Schönes und Absurdes. Nicht immer folgen die Inszenierungen dieser neuen Lichtbildner den Maximen der fotografischen Moderne. Nicht immer wird der Darstellung von Strukturen und Formen der Vorzug gegenüber dem Erzählen einer Geschichte ge- geben. Oft sind die Alltagsbeobachtungen banal – und doch eindrücklich. Nikolaus Schwarz etwa, auch er ein Amateur aus dem Umfeld der Arbeiterfotografen lichkeit und des Neuen Sehens aufgreift, aber auch hie und da piktorialistische Anleihen einfließen lässt. Über sein Leben ist wenig bekannt. Er ist, so heißt es in den Meldeunterlagen, „Staatsbeamter“.1 Geboren ist Hodek 1896 in Wien, in der Zwischenkriegszeit wohnt er im Wiener Arbeiterbezirk Meidling. Der Fotografie nähert er sich als Amateur. In den 1920er Jahren wird er Mitglied der Photosektion der Meid- linger Naturfreunde.2 Diese Fotogruppe ist in den 1920er und frühen 1930er Jahren innerhalb der Wie- ner Arbeiterfotografiebewegung besonders aktiv. Viele Meidlinger Naturfreunde-Fotografen orientieren sich an der modernen Fotografie. Hodek ist ein Flaneur der Großstadt, er fotografiert vor allem in Wien. Daneben macht er auch moderne Sachaufnahmen. Um 1930 ist er mit seinen Fotoarbeiten auf zahlreichen künst- lerischen Fotoausstellungen vertreten. Er nimmt an Fotowettbewerben teil und veröffentlicht seine Bilder ab 1929 in der illustrierten Presse, u. a. im sozialde- mokratischen Kuckuck, aber auch in österreichischen und deutschen Fachblättern und -publikationen. Hodeks Straßenszene bricht mit den Gepflogen- heiten der klassischen Pressefotografie, die über ein konkretes Ereignis berichten will. Die Aufnahme bietet keinen informativen Mehrwert an, sondern steht ganz für sich, als Beispiel einer künstlerischen Aneignung der Wirklichkeit. Bilder wie diese finden in der Zwischenkriegszeit verstärkt Aufnahme in die illustrierte Presse. Sie tauchen freilich nicht so sehr in den herkömmlichen Wochenzeitungen, sondern in den neu gegründeten, meist monatlich erscheinen- den Magazinen und Revuen auf, die dem Alltag, den Stimmungen und Moden der Zeit mehr Platz einräu- men als der Tagespolitik. Das Wiener Magazin, in dem Hodeks Aufnahme im Juni 1929 veröffentlicht wird, ist eines dieser Ende der 1920er Jahre neu gegrün- deten Magazine. Es platziert die Aufnahme – über den Mittelfalz hinweg – auf einer Doppelseite und steigert dadurch die Rätselhaftigkeit der grafischen Struktur des Bildes noch. Derartige Bildteilungen ge- hören, ebenso wie andere Layoutlösungen (etwa die Freistellung und Beschneidung, der abfallende Druck oder die Serienbildung, um nur einige zu nennen), zu den gestalterischen Mitteln moderner Zeitschriften- gestaltung, aber auch des Neuen Sehens.3
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Subtitle
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Author
Anton Holzer
Publisher
Primus Verlag
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Size
23.0 x 29.0 cm
Pages
498
Keywords
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Category
Medien

Table of contents

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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