Page - 175 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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175Die
Bühne – Plattform für die moderne Fotografie
behauptet sich nun eindeutig als Medium der mo-
dernen Zeit gegenüber der Zeichnung. Gefragt sind
nicht bloße Illustrationen, sondern „erzählende“ Bil-
der, Aufnahmen, die die Stimmungen der Gegenwart
ausdrucksstark festhalten. Auf den Seiten der Bühne
und des Wiener Magazins finden die jungen, experi-
mentierfreudigen Fotografen, darunter auch zahlrei-
che Presse- und Amateurfotografen, eine geeignete
Bühne für ihre Aufnahmen.
Die Bühne – Plattform für die moderne Fotografie
Als die Zeitschrift Die Bühne Anfang November
1924 zum ersten Mal erscheint, gehört sie zum Ver-
lagskonzern Kronos AG, der von Imre Békessy auf-
gebaut worden war. Békessy selbst steht hinter der
Gründung der illustrierten Wochenzeitschrift. Der
Redaktionssitz ist zunächst in der Wipplingerstraße
32, Wien 1, untergebracht. Erster Chefredakteur ist
Hans Liebstöckl. Bereits ein Jahr später, 1925, gerät
die Kronos AG – und damit auch die Bühne – infol-
ge finanzieller Turbulenzen unter die Kontrolle der
Vernay AG.14 Inhaltlich ändert sich durch diesen Ei-
gentümerwechsel nicht viel. Die Zeitschrift verfolgt
bis weit in die 1930er Jahre hinein einen liberalen,
sich von der Tagespolitik bewusst fernhaltenden
Kurs. In ihrer Gestaltung und Themenwahl ist die
Bühne im Vergleich zur Modernen Welt flotter und
weit weniger behäbig. Im Untertitel umreißt sie das
breite Spektrum an Themen, die sie abdeckt: Thea-
ter – Kunst – Mode – Film – Gesellschaft – Sport. Beein-
flusst von Békessys Boulevardmedien wie der Tages-
zeitung Die Stunde räumt die Bühne auch populären
Themen, wie dem Sport, Platz ein. Sie provoziert aber
auch als eines der ersten österreichischen Magazine
mit Aktaufnahmen.15
Der wichtigste Ideengeber in den ersten Jahren der
Bühne ist der Chefredakteur Hans Liebstöckl, der als
Theaterkritiker bei Wiener Tageszeitungen begonnen
hatte und den Aufbau der Illustrierten leitet. Er orien-
tiert sich in handwerklicher Hinsicht an den ameri-
kanischen Illustrierten. „Diese haben“, resümiert er
Ende 1925, nach einem Jahr bei der Bühne, „eine aus-
gesprochene Klischeekunst, sie haben das Verfahren,
Bilder zu bringen, zu der größten Vollkommenheit entwickelt. Damit können wir vorläufig nicht kon-
kurrieren: uns fehlt das überseeische Absatzgebiet,
uns fehlt jene Stabilität der Verhältnisse, die eine
vollkommen freie und künstlerische Entwicklung ge-
stattet.“16 Trotz dieser Einschränkungen ist die Bühne
erfolgreich. Das Konzept, ein Gesellschaftsmagazin
herauszugeben, das eine breite Leserschaft anzieht,
geht auf.
Von Anfang an setzt die Zeitschrift auf ein – oft far-
big gedrucktes – ausdrucksstarkes Titelfoto (Abb. 7).
Der dreispaltige Innenteil ist in den ersten Jahrgän-
gen noch recht konventionell gestaltet, aber allmäh- Abb. 7 „Die Wiener
Eislauf-
künstlerin Melitta Brunner“.
Die Bühne,
25.
Februar 1927,
Titelseite. Foto: Lothar Rübelt.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Subtitle
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Author
- Anton Holzer
- Publisher
- Primus Verlag
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Size
- 23.0 x 29.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Category
- Medien
Table of contents
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang