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187Frivole
Revuen
big gedruckte Zeichnungen (teilweise aus der Feder
von Karl Rob) setzen, aber auf Fotografien verzichten,
sind die Zeitschriften Die Muskete und MOCCA auch
fotografisch illustriert. Als sich in der zweiten Hälfte
der 1920er Jahre für einige Jahre ein gesellschaftli-
ches Fenster der Freizügigkeit auftut und die Zen-
sur etwas weniger scharf kontrolliert39, wird in den
Rob-Blättern – meist unter dürftigen Vorwänden – viel
nackte Haut gezeigt: entblößte oder leicht bekleidete
Tänzerinnen und Revuestars und erotische Genresze-
nen. Viele davon stammen aus dem Atelier Manassé,
das zum Hauptlieferanten anzüglicher und freizügi-
ger Inszenierungen wird (Abb. 22).40 Anzüglich-ero-
tische Motive stammen gelegentlich aber auch von
anderen Wiener Fotografinnen und Fotografen, etwa
von Franz Löwy oder Pepa Feldscharek.
Die gestalterischen Ansprüche der populären
Zeitschriften aus dem Hause Rob sind niedrig, die
Aufmachung billig, die Druckqualität nicht sonder-
lich gut, erst spät kommt der Kupfertiefdruck zum
Einsatz. Im Vergleich zur Bühne und zum Wiener
Magazin, die weit besser gestaltet und gedruckt sind,
bedienen die Rob-Revuen nicht ein gehobenes, son-
dern ein weniger kaufkräftiges kleinbürgerliches Pu-
blikum. Als Karl Rob die Monatszeitschrift MOCCA
1928 auf den Markt bringt, knüpft er zunächst an
sein einfaches, bewährtes Rezept an: populäre Auf-
machung, einfache Gestaltung, billiger Druck, viele
Fotos und viel nackte Haut, kaum aktuelle Bericht-
erstattung. „Mit der Revue ‚Mocca‘, die den besten
Monatsschriften Deutschlands ebenbürtig ist, dürfte
eine Lücke in der heimischen Produktion dieser Art
geschlossen worden sein.“ So schreibt Karl Rob im
Editorial des ersten Heftes. „Wir waren bemüht, das
erste Heft möglichst inhaltsreich und spannend zu
gestalten, glauben aber versprechen zu können, dass
die folgenden Hefte noch mehr Ihren Beifall finden
werden.“41 Tatsächlich orientiert sich die Zeitschrift
an den erfolgreichen Magazinen der Weimarer Repu-
blik, etwa den auflagenstarken Ullstein-Revuen UHU
und Grüne Post, mit dem Unterschied, dass MOCCA
weitaus populärer und frivoler auftritt als diese.
Anfang der 1930er Jahre kommt es zu einer zag-
haften Neuausrichtung des Magazins. Druck und Auf-
machung der Zeitschrift MOCCA werden nun etwas modernisiert, auf der Titelseite findet sich inzwischen
regelmäßig ein ausdrucksstarkes Foto (Abb. 23). Die
Grundausrichtung eines populistischen und anzügli-
chen Magazins wirft die Redaktion allerdings nicht
über Bord.42 Das hindert sie aber nicht daran, immer
wieder auch anspruchsvolle Fotostudien (gemäßigt)
modern arbeitender Amateure zu drucken, etwa von
Hans Grabkovicz oder Oskar Kuhn. Gelegentlich fin-
den wir in der Zeitschrift sogar Bildseiten, die zu ei-
ner sozialkritischen Stellungnahme verdichtet wer-
den. Im Juni 1935 etwa stellt MOCCA einer Aufnahme Abb. 22 In der Zeitschrift
Muskete, 1924 vom Rob-Verlag
übernommen, wird in
der
Zwischenkriegszeit viel nackte
Haut gezeigt. Viele der freizü-
gigen Aufnahmen stammen
aus dem Atelier Manassé. Die
Muskete, Nr.
41, 1932, S.
802.
Foto: Atelier Manassé.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Subtitle
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Author
- Anton Holzer
- Publisher
- Primus Verlag
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Size
- 23.0 x 29.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Category
- Medien
Table of contents
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang