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191Wochenzeitung
für Jedermann: Die Radio-Welt
Zwar ist der Rundfunk im Vergleich zum Kuckuck,
der führenden sozialdemokratischen Illustrierten, die
im selben Verlagshaus produziert wird, weit weniger
aufwendig gestaltet. Dennoch profitiert die Zeitschrift
sichtlich vom Know-how des Kuckuck. Eine Reihe
von herausragenden Kuckuck-Fotografen veröffent-
licht auch im Rundfunk, etwa die in Wien lebenden
Lichtbildner Martin Imboden und Rudolf Spiegel
oder Zoltan Kluger, der in Berlin arbeitet. Gelegent-
lich werden sogar Reportagen, etwa zu Reisethemen,
gedruckt. Der neue Rundfunk erlebt nur sein erstes
Jahr, Anfang 1934 fällt er dem Verbot zum Opfer. Die
letzte Nummer erscheint am 17. Februar 1934.
Dass just im selben Monat, in dem der Rundfunk
eingestellt wird, eine neue, konservative Radiozeit-
schrift startet, ist gewiss kein Zufall. Das Mikrophon.
Das Magazin für den Rundfunkhörer wird von der in-
zwischen zur Gänze von der Regierung kontrollierten
Rundfunkanstalt Radio-Verkehrs-AG (RAVAG) heraus-
gegeben und erscheint monatlich. Die Zeitschrift ist
voll auf Regierungskurs. In der Bebilderung räumt
sie den konservativen Amateuren, wie etwa Maximi-
lian Karnitschnigg oder Hermann Brühlmeyer, viel
Platz ein. Moderne Fotografen, die in der Tradition
des Neuen Sehens stehen, kommen selten zum Zuge.
Werden ihre Arbeiten vorgestellt, müssen diese den
Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne
leisten. Der Wiener Amateur Rudolf Pechotsch etwa
liefert sowohl gemäßigt moderne Genrebilder vom
bäuerlichen Leben also auch moderne Impressionen
aus der Großstadt Wien. Eine Aufnahme, die im Juli
1934 erscheint, zeigt, von schräg oben fotografiert,
eine Ruderregatta an der Alten Donau (Abb. 28). Der-
artige Bilder bleiben im Mikrophon freilich die Aus-
nahme. Nach wenigen Monaten stellt die Zeitschrift
ihr Erscheinen ein.
Wochenzeitung für jedermann: Die Radio-Welt
Mehr noch als die Filmzeitschriften, die eine halb-
wegs präzise umrissene Gemeinde von Filminteres-
sierten adressieren, sind die Radiozeitschriften der
Zwischenkriegszeit Illustrierte, die sich an den (v. a.
städtischen) Durchschnittsbürger wenden. Sie adres-
sieren ein umfassendes gesellschaftliches Kollektiv und stellen es zugleich her. Oft wird die Klientel die-
ser Zeitschriften, gewissermaßen der Durchschnitts-
leser, mit den Begriffen „Jedermann“ oder „für alle“
umschrieben. Beide Attribute tauchen seit Mitte der
1920er Jahre im Untertitel zahlreicher Zeitschriften-
neugründungen auf. Die führende Radiozeitschrift,
die 1924 gegründete Radio-Welt, nennt sich im Un-
tertitel Illustrierte Wochenschrift für Jedermann. Die
erste, 1932 gegründete, sozialdemokratische Rund-
funkzeitschrift heißt Rundfunk für alle. Im Editorial Abb. 28 Die 1934 gegründete,
monatlich erscheinende
Radiozeitschrift Mikrophon
wird von der
Rundfunkanstalt
Radio-Verkehrs-AG. (RAVAG)
herausgegeben. In ihrer
Ausrichtung ist
sie konservativ,
nur
selten kommen (wie hier)
Fotoamateure mit
modernen
Ansichten zum Zug. Mikrophon,
Heft 6, Juli 1934, S.
55. Foto:
Rudolf Pechotsch.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Subtitle
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Author
- Anton Holzer
- Publisher
- Primus Verlag
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Size
- 23.0 x 29.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Category
- Medien
Table of contents
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang