Page - 256 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945

256 Politische Bilder · Die Kultur der Arbeiterfotografie gehören Hans Cechal (Abb.    8), Franz Tesarik, Otto Weber (Abb.  9), Josef Hufnagel, J. Halpern, Ferdinand Hodek (Abb.  10)26, Otto Sadler und Martin Imboden. Andere Lichtbildner bleiben dagegen dem kunstfoto- grafischen Programm treu27, wobei es angesichts der Ausrichtung des Vereinsprogramms (Wanderungen, Ausflüge) kaum überrascht, dass sie Themen wie Na- tur und Landschaft bevorzugen. Ihre Aufnahmen und Motive unterscheiden sich oft kaum von jenen der „bürgerlichen“ Amateure. Die wenigsten der Arbeiter-Lichtbildner sind wirk- lich Arbeiter, sondern meist Angestellte, gelegentlich Beamte (seltener Freiberufler).28 Sie gehen einem Be- ruf nach (oder sind arbeitslos) und fotografieren als klassische Amateure in ihrer Freizeit. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich der Sozialdemokratie nahe füh- len und in parteinahen Fotogruppen organisiert sind. Der junge Schweizer Martin Imboden etwa arbeitet einige Zeit bei den Meidlinger Arbeiterfotografen mit.29 Er kommt im April 1929 nach Wien und sucht hier beruflichen und persönlichen Anschluss. In der Photosektion findet er Gesellschaft, Gleichgesinnte und vor allem jene technische Ausstattung, die der mittellose Mann dringend braucht. Bereits im Herbst 1929 stellt er erstmals auf der Jahresausstellung der Meidlinger Photosektion aus.30 Imboden findet bald seine eigene moderne Bildsprache und bietet seine Aufnahmen nicht nur dem Kuckuck an, sondern (spä- ter u. a. über die Fotoagentur Schostal) auch anderen illustrierten Zeitungen. Er hat mit seinen Arbeiten, u. a. Tanzbildern, Reisereportagen, Porträts und auf- sehenerregenden Kopfstudien, schnell Erfolg. Seine Aufnahmen erscheinen in österreichischen und in- ternationalen Zeitschriften. Er stirbt im August 1935 bei einem Verkehrsunfall (Abb.  11). Abb.  8  „Wie  lange  werden  sie  noch  rauchen?  (Die  Arbeits- losigkeit  in  Österreich)“.  Das  Titelfoto  des  Kuckuck  stammt  von  Hans  Cechal.  Er  gehört  zur  Arbeiterfotogruppe  der  Na- turfreunde  Meidling.  Um  1930  vertritt  diese  sehr  konsequent  die  Ideen  des  Neuen  Sehens  und  der  Neuen  Sachlichkeit.  Der Kuckuck,  2.  Februar  1930,  Titelseite. Abb.  9  „Geldscheine  mit  Lohn- zettel“.  Das österreichische Lichtbild,  Jahrbuch  1933,  hg.  vom  Verband  der  österreichi- schen  Amateurphotographen- vereine  in  Wien,  Wien,  Troppau,  Leipzig  1933,  Tafel  74.  Foto:  Otto  Weber.