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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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284 Bubikopf und Zigarette · Bilder der „Neuen Frau“ Frauen und Athletik, das schienen zwei einander so entgegengesetzte Begriffe, daß ihre Verquickung nur Ausgeburt einer verschrobenen Phantasie sein konnte. Aber inzwischen haben sich die Aussichten geändert, die Schönheitsideale sind andere geworden, ganz andere! Der Typus ‚Puppe‘ kann mit dem Typus ‚Sportlerin‘ nicht mehr konkurrieren, die braunge- brannte Schwimmerin, die sehnige Athletin hat frag- los das Terrain behauptet. Die heutige Zeit braucht sich dieses Schönheitsideals nicht zu schämen. Man sehe sich die Mädeln auf unseren Sportplätzen ein- mal an, wie sie den Diskus werfen, springen oder laufen. Sie sind schön in den Linien ihrer Bewegung, in der maßvollen Kraft und in ihrer Lebensfreude. Sie sind schön, auch wenn sie im Wettlauf ein biß- chen keuchen, wenn der Bubikopf derangiert oder gar die Laufschuhe ein bißchen ‚verhatschelt‘ sind. Athletisch und graziös sind heute keine Gegensätze mehr. Sie waren es.“11 Wenige Wochen später kommt dasselbe Blatt un- ter dem Titel „Alles steht Kopf“ auf das Thema Frau- ensport zurück. Dem Artikel beigefügt ist u. a. ein Foto, das die deutsche Schauspielerin Ossi Oswalda bei ihrer „Morgenarbeit“ zeigt – Gymnastikübungen im Handstand (Abb.    7). Auf den ersten Blick, so der redaktionelle Beitrag zum Bild, scheint die Zeit „aus den Fugen geraten“.12 Dann aber wird den „kopfste- henden“ Sportlerinnen auf der ganzen Linie Recht gegeben: „Zweifellos stehen die jungen Damen von heute mit ihrem Kopf auf dem richtigen Fleck und ge- hen auf ihren zarten Händen einer Zeit entgegen, die gesündere Mütter, fröhlichere Kinder und kraftvollere Väter besitzen wird, als jene Zeit, die man fälschlich die ‚gute alte‘ nennt.“13 Es ist kein Zufall, dass der modische Kurzhaar- schnitt, der sich seit Beginn des Jahrzehnts zuerst über das Kino, dann über die Mode verbreitet hat, gegen Ende der 1920er Jahre auch im proletarischen Milieu ankommt. Hier ist es vor allem der Sport, der als Vehikel für die Popularisierung des neuen Frau- enbildes dient. Die moderne proletarische Frau ist, anders als die bürgerliche Femme fatale, keine ver- führerische Schönheit, sondern – zumindest auf den Propagandabildern der 1920er und frühen 1930er Jahre – eine tatkräftige, zupackende Frau. In ihrem androgynen Look nähert sie sich nicht so sehr der entrückten Bühnendiva an, sondern dem proletari- schen Mann. Sie ist jung, braun gebrannt, kräftig und entschlossen – eine politisch selbstbewusste Athletin also. Ihre Frisur hat sich vom städtisch-mondänen Bu- bikopf ein Stück weit in Richtung männlich kurzer Haartracht verschoben. Abb.8  „Ihre  Zähne  pflegt  sie  nur  mit  Pebeco“.  Sportliches  Schönheitsideal  in  der  Werbung  der  1920er  Jahre.  Das inter- essante Blatt,  15.  September  1927,  S.  15.  Abb.  7  „Alles  steht  Kopf“.  Die  deutsche  Filmschauspie- lerin  Ossi  Oswalda  bei  der  Morgengymnastik.  Illustriertes Sportblatt,  27.  November  1926,  S.  12. 
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Subtitle
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Author
Anton Holzer
Publisher
Primus Verlag
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Size
23.0 x 29.0 cm
Pages
498
Keywords
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Category
Medien

Table of contents

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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