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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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298 Wenn die Hüllen fallen · Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit kommen. Dem Betreiber des Etablissements werden bürokratische Hindernisse in den Weg gelegt, Geneh- migungen verweigert, die Sache wird in die Länge gezogen. Schließlich der Ausweg: ein halbherziger Kompromiss, der der konservativen Hetze Rechnung trägt und zugleich die offene Zensur vermeidet – Auf- tritt ja, aber nicht im Ronacher und dezent verpackt in eine Show, die die Baker nicht im Titel führt. Keine Solovorstellung also, sondern ein kleiner Gastauftritt. Am 1. März 1928 hat die Revue „Schwarz auf Weiß“ im Johann Strauß-Theater Premiere.6 Josephine Baker ist darin in einigen wenigen Szenen zu sehen. Nach dem Skandal üben sich die Illustrierten nun plötz- lich in Zurückhaltung. Bühnenfotos werden keine veröffentlicht. Auf einem der Zeitungsbilder ist aber Josephine Baker leicht bekleidet in der Garderobe des Johann Strauss-Theaters zu sehen (Abb.  3). Ganz Europa liegt in diesen Jahren im Baker-Fie- ber. Überall wird die Tänzerin bejubelt, vielerorts wird sie geschmäht. Bewunderung und Distanzie- rung gehen Hand in Hand. Als sie Ende 1925 zum ersten Mal in Berlin auf der Bühne steht, schreibt der Schriftsteller Yvan Goll in der Literarischen Welt in ei- ner Mischung aus Faszination und Sorge: „Die Neger erobern Europa. Sie erobern Berlin. Sie erfüllen be- reits den ganzen Kontinent mir ihrem Geheul, mit ih- rem Lachen. Und wir sind nicht erschrocken, wir sind nicht erstaunt: im Gegenteil, die Alte Welt bietet ihre letzten Kräfte auf, um ihnen zuzuklatschen. (...) Die Neger tanzen mit ihren Sinnen. Während die Europä- er nur noch mit ihrem Intellekt tanzten. Sie tanzen mit ihren Beinen, Brüsten, Bauch. So war der heilige Tanz der Ägypter, des ganzen Altertums, des Orients. Man muß sie beneiden, denn das ist Leben, Sonne, Urwald, Vogelgesang, Leopardengebrüll, Erde.“7 Die dunkle, entblöße Haut, wilde Bewegungen, Rhythmus und Musik: In der Figur Josephine Baker entdecken die Zeitgenossen die enthemmte Sexualität ebenso wie die Zeichen der Moderne – den Jazz, das zeitge- nössische Amerika. Dschungel und Wolkenkratzer, das Primitive und die Kunst, das Animalische und das Leben der Großstadt: Josephine Baker verkörpert wie kein anderer Bühnenstar der Zwischenkriegszeit diese scheinbaren Gegensätze. Abb.  2  Josephine  Baker  in  einem  Tüllkleid  von  Patou.  Die Dame,  Heft  14,  Erstes  Aprilheft  1927,  S.  36.  Foto:  D’Ora,  Paris. Abb.  3  Josephine  Baker  in  der  Garderobe  des  Wiener  Johann  Strauss-Theaters  vor  der  Premiere  der  Revue  „Schwarz  auf  Weiß“,  1.  März  1928.  Nach  hitzigen  Debatten  (die  bis  ins  Parlament  getragen  werden)  und  wochenlanger  Skandal-  berichterstattung  in  den  Zei- tungen  tritt  der  Star  schließlich  doch  noch  in  Wien  auf.  Das interessante Blatt,  8.  März  1928,  S.  18.  Foto:  Agentur  Willinger.
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Subtitle
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Author
Anton Holzer
Publisher
Primus Verlag
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Size
23.0 x 29.0 cm
Pages
498
Keywords
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Category
Medien

Table of contents

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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