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307Die
Amerikanisierung der Reklame
net habe. Unter Beihilfe erster Künstler bin ich in der
angenehmen Lage, auf diesem Gebiete wirklich Ori-
ginelles leisten zu können. Entwürfe stelle ich gerne
zur Verfügung. Hochachtungsvoll Hermann Mandl,
Wien IV.“6 Im Mai desselben Jahres wird in Leipzig
die BUGRA, die groß angelegte Internationale Aus-
stellung für Buchgewerbe und Graphik eröffnet, die
sich auch der Reklame widmet. Die Schau hat wo-
chenlang großen Zulauf, bis im August 1914 der Krieg
beginnt. Ein Teil der Veranstaltungen am Rande der
Ausstellung wird vorzeitig abgebrochen.
Die Amerikanisierung der Reklame
„Man hat“, so meint Traugott Schalcher im Jahr
1927, „Berlin die amerikanischste Stadt Europas ge-
nannt. Wohl mit Recht.“7 Daher ist es mehr als nahe-
liegend, wenn im Jahr 1929 in dieser pulsierenden
europäischen Metropole die „Welt-Reklameschau“
stattfindet. Am 11. August 1929 wird diese giganti-
sche Messe für Werbung und Reklame eröffnet. Zu
diesem Zeitpunkt liegen die zögernden Ansätze der
Vorkriegsreklame bereits eineinhalb Jahrzehnte zu-
rück. In der Zwischenzeit hat sich die Werbebranche
nachhaltig verändert. In den Jahren nach dem Krieg
wird Reklame zum mächtigen Wirtschaftsfaktor. Die
Ästhetik der Außenwerbung ebenso wie der Anzei-
genwerbung in der Presse hat sich rasch moderni-
siert. Amerikanische Anregungen wie etwa die Licht-
reklame im öffentlichen Raum, die Beleuchtung von
Gebäuden, die Kino- und Radiowerbung u. Ä. werden
auch in Europa gierig aufgegriffen. Berlin ist in die-
sen Jahren die führende Werbestadt. Sie nimmt in
der Modernisierung der Reklame auf europäischem
Boden eindeutig eine Vorreiterrolle ein.
Bald aber werden die Neuerungen auch in anderen
Großstädten, unter anderem in Wien, übernommen.
„New York“, schreibt 1928 der Wiener Feuilletonist
Alexander Schilling, „ist die Geburtsstadt der Licht-
reklame. Alsbald haben sich auch die europäischen
Großstädte dieser neuen Mode von Madame Reklame
unterworfen. Paris, Berlin gingen voran, Wien folgte
mit einigem Zögern nach. Heute erstrahlen auch in
Wien die großen Geschäftsstraßen, wie Kärntnerstra-
ße, Graben, Mariahilferstraße, Rotenturmstraße, Kai- serstraße, Alserstraße, Währingerstraße und viele an-
dere in den verschiedensten Farben der Lichtreklame,
wodurch ein abendlicher Spaziergang durch die City
von Wien zu einem eigenartigen, reizvollen Genuß
wird.“8 Der Text, der in der Zeitschrift Moderne
Welt erscheint, ist fotografisch illustriert. Zu sehen
ist eine Reihe von Wiener Lichtschriften, die erst vor
Kurzem aufgestellt wurden (Abb.
5).9 Entgegen dieser
euphorischen Diagnose erfolgt der Einsatz der Licht-
reklame in Wien recht zögerlich. Erst 1925 wird auf Abb.
3 Damenkleider aus dem
Mode-Warenhaus D. Lessner,
Mariahilferstraße 81–
83.
Das
interessante Blatt,
19.
Oktober
1905, S.
13.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Subtitle
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Author
- Anton Holzer
- Publisher
- Primus Verlag
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Size
- 23.0 x 29.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Category
- Medien
Table of contents
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang