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316 Schöne neue Warenwelt · Reklame und Mode in der Fotografie
nun zunehmend prägt, macht sich aber auch in der
Modebranche bemerkbar. Die Sujets werden boden-
ständiger, traditioneller, die Experimente bleiben
zunehmend aus. Die klaren, nüchternen Inszenie-
rungen im Stil der Neuen Sachlichkeit verschwinden
nun fast vollständig. In der Mode ist ein Trend zur
konservativen Eleganz zu erkennen. Bemerkenswert ist, dass praktisch alle österreichischen Modefoto-
grafinnen – ein Großteil von ihnen ist jüdischer Her-
kunft – nach 1933/34 ohne Unterbrechung weiterar-
beiten. Zwar ist der Antisemitismus in den 1930er
Jahren auch in Österreich weit verbreitet, aber es gibt,
anders als im nationalsozialistischen Deutschland,
noch keine ausdrücklichen Berufsverbote für jüdische
Fotografen und Fotografinnen.
Mitte der 1930er Jahre haben die Wiener Mode-
fotografinnen nicht so sehr mit politischer Einfluss-
nahme (die in der Modebranche weniger ausgeprägt
ist) als vielmehr mit einer verstärkten internationalen
Konkurrenz zu kämpfen. Ab 1935 kommen immer
mehr Modebilder von internationalen Fotoagenturen
und von – vorwiegend – amerikanischen Filmfirmen
auf den Markt. Unter diesem Druck geht der Anteil
österreichischer Bilder deutlich zurück. Die kurze
Blütezeit der österreichischen Modefotografie geht
ihren Ende entgegen.
Als 1938 die Verfolgung und Vertreibung der jüdi-
schen Bevölkerung einsetzt, trifft das die jüdischen
Fotografen und Fotografinnen mit aller Härte. Die
wenigen nicht jüdischen Vertreterinnen des Berufs
profitieren dagegen von dieser Situation. Junge Foto-
grafinnen wie Lucca Chmel erhalten nun die Chance,
unter anderem auch in der Modebranche Fuß zu fas-
sen. Andere, etablierte Fotografinnen machen nun
in großen Schritten Karriere. Kitty Hoffmann etwa
steigt nach 1938 zur führenden Modefotografin Wiens
auf, sie publiziert jetzt mehr als je zuvor (Abb.
13).
Hoffmann arbeitet beispielsweise 1940/41 eng mit
dem unter nationalsozialistischer Herrschaft entstan-
denen Wiener „Haus der Mode“ zusammen. Dieses
hatte bei der „Arisierung“ der Wiener Textilfirmen
eine zentrale Rolle gespielt.21 Aber lange währt diese
Zwischenphase, in der österreichische Fotografinnen
das Feld der Mode beherrschen, nicht. Die nicht jü-
dischen – v. a. Wiener – Fotografinnen erhalten nun
neue Konkurrenz: Viele deutsche Modefotografen
(unter ihnen Hubs Flöter, Imre Santho und Sonja
Georgi) dehnen ihre Tätigkeit ab 1938/39 auf die
„Ostmark“ aus und publizieren ihre Modeaufnahmen
verstärkt auch in Wiener Blättern.
Abb.
13 „Abendkleid aus
weißem Organza mit
schweren
Spitzen inkrustiert“, Modell:
Berta Farnhammer. Moderne
Welt, Heft 11, Juli 1938, S.
30.
Foto: Kitty
Hoffmann.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Subtitle
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Author
- Anton Holzer
- Publisher
- Primus Verlag
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Size
- 23.0 x 29.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Category
- Medien
Table of contents
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang