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371Rudolf
Koppitz: Von der Kunst- zur Heimatfotografie
des Verbandes österreichischer Amateurphotogra-
phen-Vereine, Hugo Sartorius, als auch die meisten
der Preisrichter (unter ihnen ist auch Rudolf Koppitz)
arbeiten dem neuen konservativen Regime bereitwil-
lig zu. Neu an der Künstlerhausausstellung 1934 ist,
dass sich erstmals eine eigene Abteilung der Heimat-
fotografie widmet. Bemerkenswert ist außerdem, dass
viele der gezeigten Arbeiten von konservativen un-
garischen Amateuren stammen, die in den folgenden
Jahren in Österreich überaus präsent sind. Die staat-
liche Annäherung der beiden autoritären Regimes
macht sich nun auch im Kulturaustausch bemerkbar.
Zwei Jahre später – die österreichische Heimatfoto-
grafie ist auf ihrem Höhepunkt angekommen – findet
in der Wiener Volkshochschule Urania eine Fotoaus-
stellung statt, die den Begriff „Heimat“ im Titel trägt.
Sie nennt sich „Heimat Österreich“.15 Nun ist das
ursprüngliche Randthema Heimatfotografie stolz ins
Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt.
Rudolf Koppitz:
Von der
Kunst- zur Heimatfotografie
Unter dem Druck der neuen politischen Verhält-
nisse geraten die Vertreter der fotografischen Avant-
garde in den 1930er Jahren zunehmend ins Hinter-
treffen, es kommen ihnen nicht nur Publikations- und
Ausstellungsmöglichkeiten abhanden, sondern auch
ein Klima der Offenheit und des Experiments. Kon-
servative Lichtbildner besetzen nun zunehmend das
Feld. Viele von ihnen liefern jene Bilder, die dem
Zeitgeist entsprechen: ländliche Themen, Brauchtum,
Heimatbezogenes.
Der 1884 geborene Rudolf Koppitz gehört in der
Zwischenkriegszeit zu den führenden Vertretern der
künstlerisch arbeitenden Fotografie in Österreich. Zu-
gleich ist er in den 1930er Jahren ein wichtiger Pro-
tagonist der Heimatfotografie.16 Er gilt, dank seiner
zahlreichen Funktionen und Tätigkeiten, als überaus
einflussreiche Persönlichkeit in der Fotoszene. Koppitz
ist Professor an der Graphischen Lehr- und Versuchs-
anstalt in Wien und viel beschäftigter Aussteller, er ist
aber auch gefragter Funktionär, Preisrichter und Orga-
nisator. Bemerkenswert ist, wie aufmerksam Koppitz
in seinem Werk die gesellschaftlichen Stimmungen und die politischen Verschiebungen reflektiert. Sein
Werk wird – auch noch nach seinem Tod 1936 – in
Form von Ausstellungen und Publikationen in die of-
fizielle konservative Kulturpolitik des Landes einge-
passt. In seinen Arbeiten aus den 1920er Jahren über-
wiegen noch gemäßigt moderne kunstfotografische
Arbeiten. Er fotografiert in diesen Jahren die Stars der
Wiener Theater- und Tanzbühnen, macht Akt- und Be-
wegungsaufnahmen, Genre- und Landschaftsstudien,
Arbeiten, die bis heute sein Image prägen.
Ab Ende der 1920er Jahre wendet er sich, ganz
im Einklang mit der gesellschaftlichen Stimmung im Abb.
9 Alter Berghirte vor
den Drei Zinnen in
Südtirol.
Die Bühne,
Zweites Augustheft
1931,
S.
6. Foto: Trude
Fleisch-
mann.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Subtitle
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Author
- Anton Holzer
- Publisher
- Primus Verlag
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Size
- 23.0 x 29.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Category
- Medien
Table of contents
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang