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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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382 Fotografisches Feuilleton · „Der Sonntag“: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie Ein  Blick  hinter  die  Kulissen  der  Redaktionsarbeit Der Sonntag, bilanziert Hans Oplatka im März 1935 nach einem Jahr seines Erscheinens, ist der „Versuch, das Wiener Leben mit den Mitteln der modernen Zeitungsillustration in Bildern abzuspie- geln; es war (in einem Jahr politischer Aufregungen, in dem die Presse sich mancherlei Beschränkungen fügen mußte), ein Versuch, der nicht sofort gelingen konnte. Wir wissen, was wir wollen: wir wollen ei- nem kultivierten Leserkreis möglichst gute, in einem höheren Sinn stets aktuelle Bilder in sein Sonntags- blatt legen, dazu womöglich einen interessanten und anregenden Text. Wir möchten außer dem Heer der Photographen die besten Zeichner zu Mitarbeitern haben, außer den Journalisten die Dichter. Mit ih- rer Hilfe möchten wir von Sonntag zu Sonntag, von ‚Sonntag‘ zu ‚Sonntag‘ immer mehr dem Ziele nahe kommen: Vignetten an den Rand der Zeit zu malen, zu schreiben. Das möchten wir. Die freundliche Sym- pathie unserer Leser sagt uns, daß sie dieses unser Bestreben verstehen. Wie viel uns noch zu tun übrig bleibt, das wissen wir selber am besten. Aber es ist noch nicht aller Sonntag Abend.“10 Anfangs produziert Oplatka die achtseitige illus- trierte Wochenendbeilage nahezu im Alleingang. Er setzt die Themen fest, organisiert die Bilder und re- digiert die Texte, er verhandelt mit den Fotografen und Zeichnern, sichtet das Material und ordnet es zu Geschichten. Er steht am Lichttisch und zieht die einzelnen Seiten grafisch auf. Immer wieder liefert er auch selbst Fotoreportagen, zu denen er die Texte schreibt. Er hat ein großes Gespür für interessante Themen und ihre spannende fotografische und grafi- sche Umsetzung. Von Anfang an gelingt es Oplatka, dem Sonntag eine ganz eigene, moderne Handschrift zu verleihen. Da die Redaktion des Sonntag im Verlagshaus Canisiusgasse 8 –10 im 9. Wiener Gemeindebezirk untergebracht ist, in dem u. a. das Mutterblatt Der Wiener Tag, aber auch illustrierte Magazine wie Die Bühne erscheinen, kann Oplatka bei seinem Zeitungs- projekt auf eine professionelle Infrastruktur zurück- greifen. Er nutzt bestehende Kontakte zu Fotografen und Autoren und bedient sich gut ausgebildeter Handwerker in der Grafik- und Druckabteilung des Hauses. Die Vernay AG verfügt seit 1928 über eine moderne Kupfertiefdruckanlage, die 1934 erweitert und modernisiert wird. Der Sonntag wird von Anfang an im Kupfertiefdruck hergestellt. Nach gut einem Jahr erhält Oplatka Unterstützung in der Redaktion. Ab Mitte 1935 geht ihm der junge Zeichner Wilhelm Spira, er ist zwei Jahre jünger als der Chefredakteur, als Bildredakteur zur Hand. Bil Spira, so sein Künstlername, schildert in seiner Auto- biografie Jahrzehnte später sehr anschaulich und le- bendig, wie er zum Sonntag kam.11 Dieser Bericht ist überaus interessant, denn er der bietet einen guten Einblick in den Redaktionsalltag der Zeitung. Zu- dem sind diese Erinnerungen das einzige erhaltene schriftliche Zeugnis eines Sonntag-Redakteurs, das über das Innenleben der Illustrierten berichtet. Bil Spira, geb. 1913, beginnt Ende der 1920er Jahre als Zeichner für die Presse zu arbeiten. Seine ersten Zeichnungen – schnell und souverän hingesetzte Skizzen von Theaterszenen und Schauspielerkari- katuren – erscheinen 1929 im sozialdemokratischen Kleinen Blatt.12 Er ist damals 16 Jahre alt. Später zeichnet er auch für die Arbeiter-Zeitung, daneben stu- diert er an der Kunstgewerbeschule in Wien (der heu- tigen Universität für angewandte Kunst). Als 1934 die sozialdemokratische Presse verboten wird, sieht sich Spira nach anderen Publikations- und Einkunftsmög- lichkeiten um. „In den Kaffeehäusern durchstöberte ich alle aufliegenden Zeitungen und Zeitschriften, um eine zu entdecken, in die meine Zeichnungen paßten. Die Sonntagsbeilage des ‚Wiener Tag‘, im Kupfertief- druckverfahren hergestellt, bestand zum größten Teil aus Photos mit dazugehörigem Text und einigen Zeichnungen. Sie war im Gegensatz zu den meisten anderen journalistischen Erzeugnissen fortschritt- lich, und ich hätte gern dort mitgemacht.“13 Da er in der Redaktion niemand kennt, bittet Spira den Fotografen Otto Skall, mit dem er flüchtig bekannt ist und der für den Sonntag arbeitet, eine Mappe mit Arbeitsproben in die Redaktion zu brin- gen. Als der erhoffte Anruf nicht kommt, ist Spira enttäuscht. Er will die Unterlagen wieder abholen. „Als ich beim ‚Sonntag‘ klopfte, öffnete mir ein junger
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Subtitle
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Author
Anton Holzer
Publisher
Primus Verlag
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Size
23.0 x 29.0 cm
Pages
498
Keywords
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Category
Medien

Table of contents

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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