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Religion, Medien und die Corona-Pandemie - Paradoxien einer Krise
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ge konnten dort die ersten sieben Kapitel des Avataূsaka-Sutra 䞆ᩋ䄪 nachverfolgen und mitlesen. Jedes Mal nahmen 13 Mönche des Tempels am Ritual teil, obwohl Mönche, ebenso wie Statuen von Buddhas und Bo- dhisattwas, gemäß den Regelungen der TikTok-Plattform nicht gezeigt werden dürfen. Im Gegensatz zu religiösen Handlungen vor der Corona-Zeit boten die Rituale in diesen beiden Beispielen den Gläubigen keine physische Ver- sammlungsmöglichkeit in einem für Religion geeigneten Raum, sondern eine fragile Verbindung durch soziale Medien, die normalerweise zur all- täglichen Kommunikation und Unterhaltung dienen. In den sozialen Me- dien existiert keine sichtbare Schwelle wie die Tür eines Heiligtums, die den heiligen vom profanen Raum trennt. Wie haben es die Tempel in die- ser speziellen Situation gescha$, den heiligen Raum im Internet zu gestal- ten? Die elektronisch gestützte Online-Welt ist heute ein Bestandteil unseres Lebens geworden. In diesem Sinne ist sie auch von der Spannung zwi- schen dem Heiligen und dem Profanen geprägt. Diese Kategorien stellen keine substanzielle Di!erenz dar, sondern sind situationsbedingte und re- lationale Kategorien, deren Grenzen fluide sind. Émile Durkheim betonte 1912 in seinem einflussreichen Werk Die elementaren Formen des religiösen Lebens, wie wichtig religiöse Rituale für die Gestaltung der profanen und heiligen Sphären innerhalb einer Gemeinscha# sind und wie damit ihr Zusammenhalt gewährleistet wird. Durch gemeinsame Handlungen und Überzeugungen werde ein Raum bestimmt, in dem der Unterschied zwi- schen Heiligem und Profanem sichtbar und erlebbar gemacht werde. Im vom französischen Sinologen Benoît Vermander mitverfassten Werk Shanghai Sacred wird auf diese Funktion von Religion hingewiesen. Darin, unter den zahlreichen Illustrationen dazu, findet sich das Beispiel von bud- dhistischen Laiengruppen, die in Shanghai bei Wasserstraßen regelmäßig sogenannte Tierfreigabe-Rituale durchführen: Zum Essen bestimmte Fi- sche werden in Flüssen frei gelassen. In diesem Ritual wird durch eine Kombination aus Gewändern, Gesten, Musik und Choreografie ein ö!ent- licher heiliger Raum geformt. Das Internet und die sozialen Medien erweitern den Lebensraum. On- line-Medien bieten einen Platz für Rituale, sodass Leute trotz physischer Abwesenheit vor Ort gemeinsame Tätigkeiten durchführen können. Diese gemeinsame Tätigkeit wird durch Festlegung eines bestimmten Zeitraums, in dem das Ritual verrichtet wird, verwirklicht. Eine Laien-Buddhistin liest also die Kapitel nicht allein zu Hause, sondern zusammen mit anderen Gläubigen sowie den Mönchen im Tempel. Teilnehmende des zweiten oben genannten Rituals konnten außerdem die Gesamtteilnehmer:innen- Gemeinscha!en in Isolation 30 https://doi.org/10.5771/9783748922216, am 10.02.2021, 12:13:48 Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Religion, Medien und die Corona-Pandemie Paradoxien einer Krise
Title
Religion, Medien und die Corona-Pandemie
Subtitle
Paradoxien einer Krise
Author
Daria Pezzoli-Olgiati
Editor
Anna-Katharina Höpflinger
Publisher
Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-7489-2221-6
Size
15.3 x 22.7 cm
Pages
134
Categories
Coronavirus
Medien

Table of contents

  1. Einführung 7
  2. Fahren auf Sicht im Nebel des notwendig Undeutlichen 11
  3. Wenn jetzt alles anders ist, wie ist es denn immer gewesen? 13
  4. «Wir sitzen zu Hause und draußen geht die Welt unter» 17
  5. Gemeinscha!en in Isolation 23
  6. Leere Tempel, volle Livestreams in China 27
  7. Digitale Au!ührungen des Ausnahmezustands 35
  8. Ambivalente Deutungen des Virus in Facebook-Communities 41
  9. Krise und Solidarität im öffentlichen Raum 49
  10. Solidarität zwischen Kirche und Suppenküche 51
  11. Leid und Hoffnung einer Nation im Grati 59
  12. Unterhaltung in der Pandemie 67
  13. Lieder zwischen Krisenbewältigung und Entertainment 69
  14. Witz und Religionskritik in Internet-Memes 77
  15. Der Tod als mediale Inszenierung 85
  16. Einsamer Abschied vor aller Welt 87
  17. Das Virus ist unsichtbar, der Tod ganz konkret 93
  18. Wirklichkeitsdeutung zwischen Fakten und Fake News 101
  19. Erlösung durch Kapitalismus 103
  20. Die Verschwörung(en) hinter der Pandemie 111
  21. Ausblicke ins Ungewisse 119
  22. Die Pandemie als Ritual – ein Gedankenspiel 121
  23. Prophetische Metaphern der postpandemischen Zeit 127
  24. Abbildungsverzeichnis 133
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