Page - 105 - in Religion, Medien und die Corona-Pandemie - Paradoxien einer Krise
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Dabei nimmt er eine Überbewertung des Problems durch die Medien an,
die er als «selbsterfüllende Prophezeiung» bezeichnet: Eine Vorhersage
prägt das Handeln so stark, dass das Vorausgesagte dadurch erfüllt wird.
Damit stellt der Autor die Gefahr, die vom Virus ausgeht, als eine von au-
ßen herbeigeführte Übertreibung dar. Somit würden die Regierungen er-
mächtigt, das Notrecht – ein Begri!, der aus Carl Schmitts Gedanken zum
Ausnahmezustand entlehnt ist –, einzusetzen. Dies würde die Demokratie
bedrohen, die durch «Politiker», «Gutmenschen», «Bürgerliche», «Grüne
und Rote» grundlegend verändert würde. Dies führe schließlich zu einer
Welt, in der alle Menschen dauerha# überwacht werden, eine Entwick-
lung, die sich in der Zukun# zusätzlich verstärken werde. Der sich über-
schätzende Mensch sei dabei, einen «finanziellen Turm zu Babel» zu er-
richten. In den Worten des Verfassers:
Am finanziellen Turm zu Babel, dessen Bau lange vor der Finanzkrise
2008 begann, mit dieser aber eine gewaltige Steigerung in schwindeler-
regende Höhen erfuhr und heute mit den Wirtscha#sprogrammen
zum Reset der Wirtscha# noch übertro!en wird, wird weitergebaut.
Die Metapher des Turmes bezieht sich dabei auf die Wirtscha#sprogram-
me der Regierungen. Dem Staat, den Bindschedler in Anführungszeichen
als allmächtig bezeichnet, wird vorgeworfen, nicht rechtzeitig reagiert zu
haben. Der völlige Stillstand der Wirtscha# infolge weiterer Pandemien ist
in diesem Artikel das schlimmste anzunehmende Szenario. In diesem Fall
würde das Geld, das nicht mehr erwirtscha#et wird, aus «Haircuts», bezie-
hungsweise Schuldenschnitten, wie Abschläge auf die Werte von Vermö-
gensgegenständen genannt werden, genommen. Hier fällt der Vergleich
zwischen dem Staat und einem umgedeuteten Mephistopheles, der Teu-
felsfigur aus Goethes Faust:
Der Staat handelt in Umkehrung von Mephistopheles’ Worten so, dass
er das Gute will und das Böse scha$.
Schließlich zeichnet der Autor einen Weg vom Chaos zur Ordnung: Nur
durch die Infragestellung der Maßnahmen könne Rationalität wieder er-
fahren werden. Hierzu verwendet er ein Zitat aus der biblischen Josephser-
zählung. Er spricht von «sieben fetten und sieben mageren Jahren», die er
mit der menschlichen Sterblichkeit verbindet.
Akzeptieren wir, dass der Mensch sterblich ist, ein langes Leben nicht
per se Ziel sein kann, dass Wohlstand auf produktiver Arbeit – und
nicht auf das Leben erstickender Bürokratie – beruht, dass auf sieben
fette auch sieben magere Jahre folgen können und Letztere die Chance
Erlösung durch Kapitalismus
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https://doi.org/10.5771/9783748922216, am 10.02.2021, 12:13:48
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
Religion, Medien und die Corona-Pandemie
Paradoxien einer Krise
- Title
- Religion, Medien und die Corona-Pandemie
- Subtitle
- Paradoxien einer Krise
- Author
- Daria Pezzoli-Olgiati
- Editor
- Anna-Katharina Höpflinger
- Publisher
- Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-2221-6
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 134
- Categories
- Coronavirus
- Medien
Table of contents
- Einführung 7
- Fahren auf Sicht im Nebel des notwendig Undeutlichen 11
- Wenn jetzt alles anders ist, wie ist es denn immer gewesen? 13
- «Wir sitzen zu Hause und draußen geht die Welt unter» 17
- Gemeinscha!en in Isolation 23
- Leere Tempel, volle Livestreams in China 27
- Digitale Au!ührungen des Ausnahmezustands 35
- Ambivalente Deutungen des Virus in Facebook-Communities 41
- Krise und Solidarität im öffentlichen Raum 49
- Solidarität zwischen Kirche und Suppenküche 51
- Leid und Hoffnung einer Nation im Grati 59
- Unterhaltung in der Pandemie 67
- Lieder zwischen Krisenbewältigung und Entertainment 69
- Witz und Religionskritik in Internet-Memes 77
- Der Tod als mediale Inszenierung 85
- Einsamer Abschied vor aller Welt 87
- Das Virus ist unsichtbar, der Tod ganz konkret 93
- Wirklichkeitsdeutung zwischen Fakten und Fake News 101
- Erlösung durch Kapitalismus 103
- Die Verschwörung(en) hinter der Pandemie 111
- Ausblicke ins Ungewisse 119
- Die Pandemie als Ritual – ein Gedankenspiel 121
- Prophetische Metaphern der postpandemischen Zeit 127
- Abbildungsverzeichnis 133