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Zipper und sein Vater
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Gabe, zu fühlen, was er nicht sehen konnte. Im übrigen war er verschwiegen, aber nicht vorsichtig genug, um sich nicht zu verraten. Er war feinfühlig, aber nicht aufmerksam genug, um niemanden zu verletzen. Mit seinem Vater verglichen, erschien er nicht merkwürdig, sondern eher gewöhnlich. Er wohnte, obwohl er wenig Geld hatte, nicht bei seinen Eltern. Er aß nur bei ihnen. Wovon er das übrige bestritt, wußte ich lange nicht. In einer andern Zeit hätten ihm seine Fähigkeiten eine Existenz gesichert. In den ersten Monaten nach dem Krieg aber konnte nur einer jener außergewöhnlichen Zufälle helfen, die man »Glück« nennt, oder jene außergewöhnliche Kraft, die ein Genie oder ein Brutaler vor sich her treibt wie einen Tank. Arnold Zipper war nicht genial und nicht herzlos. Er war im Gegenteil zart, gutherzig, begabt und schüchtern. Vom Dezember bis zum März lebte er von dem Handel mit Militärstoffen, wie ich bald erfuhr. Er vermittelte zwischen Käufern und Verkäufern. Es war damals Sitte im Land: die »abgerüsteten« Offiziere, die ohne Beruf waren oder ihren Beruf nicht mehr ausüben konnten, handelten mit Militärstoffen. Zipper gehörte nicht zu den Tüchtigen. Er haßte sein Geschäft. Bevor er in ein Kaffeehaus trat – denn in den Kaffeehäusern wickelte man die Geschäfte ab –, hatte er hundert Bedenken. Andere kamen mit der siegreichen Festigkeit eines Commis voyageur von Beruf, in der Überzeugung, ihr Opfer zu finden, zu überreden und gefügig zu machen; eine Überzeugung, die Geschäftsreisende ebenso unwiderstehlich macht wie couragierte Liebhaber und angreifende Generale. Zipper aber war zaghaft, und er zog infolgedessen das Mißgeschick an, ungefähr wie manche Menschen Krankheiten anheimfallen, weil sie Ansteckung und Erkältung fürchten. Zippers Empfindlichkeit verursachte es, daß er den zufälligen und harmlosen Blick eines Kellners für einen vorwurfsvollen hielt. Man mußte im Spielsaal des Kaffeehauses stehen, so lange, bis der Käufer von seiner Kartenpartie aufstand. Wie oft aber kam es vor, daß der Käufer Zipper schon bei seinem Eintritt bemerkte, ihm durch ein Zeichen zu verstehen gab, daß er warten möchte, und in der Hitze des Spieles den Wartenden vergaß oder nur zu vergessen schien! Denn es war auch eine Methode darin, denjenigen, der das Angebot machte, zu zermürben; zu erproben, ob er so sehr »im Druck« war, daß er geduldig wartete, oder ob er so unabhängig war, sofort wegzugehen, wenn der Käufer nicht schnell genug zugriff. Andere konnten in dem Kaffeehaus, in dem sie ein Geschäft abschließen wollten, auch Gäste werden – durch die recht einfache Tatsache, daß sie sich an einen Tisch setzten, von dem aus sie ihr Opfer zu beobachten vermochten und wo sie einen Kaffee tranken. Allein diese »Spesen« konnte Zipper nicht aufbringen. Für ihn bestand die Schwierigkeit darin, in ein 38
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Zipper und sein Vater
Title
Zipper und sein Vater
Author
Joseph Roth
Date
1928
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
112
Keywords
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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