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Zipper und sein Vater
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die ein eigenes Gehirn zu haben schien, an das Haar zu führen – eine Bewegung, die jede Frau schön macht. Denn es ist eine intime Bewegung. Sie ist wie der Beginn einer Entkleidung. Ich zweifelte nicht daran, daß Arnold sie liebte. Aber ich zweifelte auch nicht daran, daß er ihr vollkommen gleichgültig war. Die Vertraulichkeit, mit der sie ihn behandelte, war um einige Grade wärmer als die, mit der sie die andern auszeichnete. Von ihm erwartete sie, daß er ihr in den Mantel helfe, daß er ihr einen Bleistift leihe, daß er ihren Spiegel halte, daß er ihr Taschentuch aufhebe, daß er sie nach Hause führe. Und niemals sah ich Arnold glücklicher. Wie gut wußte sie, daß er – wie die meisten Männer – sich einbildete, die kleinen Dienste, die man von ihm verlangte, kündigten eine teure Belohnung in der Zukunft an; daß ein schneller Blick, den sie mit ihm tauschte, auch ein Einverständnis bedeute, obwohl es in Wirklichkeit nur ein Blick war, der ihn kontrollierte. Wozu aber bedurfte sie seiner? Er war ein Finanzbeamter und ein Kiebitz, ohne Geld, ohne Macht und ohne Aussichten. Wenn sie überhaupt einen Mann brauchte, so durfte es nicht Arnold sein, der sie hemmte. Warum ließ sie ihn nicht wissen, daß er ihr gleichgültig war? Ich wußte es erst später. Ich sah, daß sie nicht nur nach Helfern für ihre Karriere suchte, sondern auch nach Dienern, die sie nicht zu entlohnen brauchte. Arnold veränderte sich in der nächsten Zeit. Er ahnte noch nicht, was ihm bevorstand. Vorläufig wurde er selbstbewußt. Er litt nicht mehr an dem Glauben, daß er überflüssig in der Welt sei. Er mischte sich in das Gespräch derjenigen, denen er bis jetzt nur mit Achtung zugehört hatte. Er beteiligte sich sogar am Spiel. Es schien, daß er aufhören wollte, ein Kiebitz zu sein. Sein Amt gab er auf. Er meldete sich krank und schrieb dann einen Brief an den Hofrat Kronauer, in dem er mitteilte, daß er auf die Laufbahn eines Staatsbeamten verzichten müsse. Es war jener Brief, den er vor einigen Wochen angefangen hatte zu schreiben, als ich ihn im Kaffeehaus traf. Er suchte jetzt nach einer privaten und, wie er sagte, »provisorischen« Stellung. Da er keine fand, gab er sein Zimmer auf und zog wieder zu seinen Eltern. Mit der Festigkeit, die man aufbringen kann, wenn man verliebt ist, erklärte er seinem Vater, daß er kein Beamter sein wolle. Dem armen alten Zipper half seine ewige törichte Einbildung, daß alles, was seinem Sohn Arnold zustoße, von Nutzen sei. Hatte Arnold eingesehen, daß er nicht im Amt bleiben könne, so war es ein Beweis dafür, daß man dort nicht weiterkommen konnte. Schien es Arnold an der Zeit, sich zu verlieben, desto besser. Daß aber Arnold nicht mehr ins Amt ging, eben weil er verliebt war, wußte der alte Zipper nicht. Seine Einfalt bestand vor allem in seiner Unfähigkeit, die klarsten Ursachen der Ereignisse zu erkennen. Er glaubte, 65
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Zipper und sein Vater
Title
Zipper und sein Vater
Author
Joseph Roth
Date
1928
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
112
Keywords
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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