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Zipper und sein Vater
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diese Koketterie, die doch an Männer nutzlos verschwendet zu werden schien und eben deshalb die Männer reizte; diese Klugheit, die den schwierigen Gedanken folgen konnte; diese kollegiale Einfachheit, die keine Mühe machte; diese Grazie, die so krank und verloren war; dieses »außergewöhnliche Talent«, dem der »ungewöhnliche Intellekt« nicht schadete, diese ewige Bereitschaft Ernas, sich hinzugeben – aber keinem Mann; die Aussichtslosigkeit, ihr gefallen zu können, und das Bedürfnis, das sie verriet, trotzdem umworben zu werden. Man schätzte sie hoch, wie alles Unerreichbare, vor das die Natur selbst Schranken gelegt hat. War Erna mit Geschäftsleuten von der Branche zusammen, so benahm sie sich anders: sie machte die Intellektuellen lächerlich und ihre »Weltfremdheit«. Sie gab zu erkennen, daß diese Zeit Männer der Tat brauche und daß Geldmachen eine größere Kunst sei als Theaterspielen. Sie schwärmte von Amerika und erzählte, daß sie schon als Kind dort gewesen sei. Sie verbreitete Legenden über ihre armselige Abstammung und behauptete, so viel Geld verdienen zu müssen, weil sie noch Eltern und Geschwister auszuhalten habe, die im dunkelsten Stadtteil von Wien lebten. Das hinderte sie freilich nicht, ungarische Grafen zu kennen. Sie verlor keinen Augenblick die Überlegenheit eines Künstlers, obwohl sie vorgab, Talent nicht zu schätzen, am wenigsten ihr eigenes. Sie benahm sich wie ein Aristokrat, der keine Vorurteile zu kennen vorgibt, unter Bürgern, die ihn verehren – nicht, weil er keine Vorurteile hat, sondern weil er ein Aristokrat ist, der keine hat. Sie sprach von oben herab und von gleich zu gleich. »Sie ist charmant!« sagte Herr Prinz von der Alga GmbH. »Ob sie charmant ist!« bestätigte der Herr Direktor Natanson. Und beide luden sie – ohne daß einer vom andern wußte – zu einer Spazierfahrt ein. Sie ging mit einem, sie ging mit dem andern, ließ jeden von ihnen ihre scheinbare schüchterne Wehrlosigkeit auskosten, jeden die Hoffnung hegen, daß er und gerade er sie zu einem »normalen Leben« zurückzuführen imstande wäre, wenn dieser ersten Fahrt ein paar noch intimere folgen könnten, und bekam von beiden Angebote. Kleine Rollen übernahm sie nicht mehr. Dem bedeutenden Rechtsanwalt – dem sie vorläufig nichts zahlte – vertraute sie ihre Geschäfte an. Sie ließ Regisseure warten, lernte reiten, fechten, schwimmen, klettern, springen, Akrobatik am Trapez – alles, was man für den Wilden Westen von Hollywood braucht. Sie wurde manchmal plötzlich krank, erlitt Unfälle, lud jeden Mittwoch maßgebende Männer ein, nahm einen Sekretär auf und nur wenig 72
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Zipper und sein Vater
Title
Zipper und sein Vater
Author
Joseph Roth
Date
1928
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
112
Keywords
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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