Seite - XVII - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Einleitung xix
ich Sie von dem Wahn befreien, daß man ein Deutscher sein muß. Sollte man dies
gottverlassene Volk nicht sich selbst überlassen ?“
Auch Werke von heute weltberühmten jüdischen Musikern wie Erich Zeisl und
Arnold Schönberg reflektieren, dass die künstlerische Auseinandersetzung mit dem
Judentum und ihrer persönlichen Stellung zum Jüdischen vor allem erst dann ein-
setzte, als sie sich antisemitischen Übergriffen ausgesetzt sahen und sie mit ihrer jüdi-
schen Identität zunehmend von „außen“ konfrontiert wurden. Als Arnold Schönberg
im Sommer 1921 mit seiner Familie in Mattsee (Salzburg) Urlaub machen wollte und
ihn der Bürgermeister mit der Begründung, dass Juden in seinem Ort unerwünscht
seien, aufforderte, den Ort zu verlassen, war dies für den 47-jährigen Komponisten,
der mit 24 Jahren den protestantischen Glauben angenommen hatte, ein einschnei-
dendes Erlebnis. Schönberg begann, sich mit biblischen Geschichten zu beschäftigen
und über mehrere Jahre an der Oper Moses und Aron zu arbeiten. 1933 rekonvertierte
er zum Judentum.
Für den Musiker und Komponisten Schönberg bedeutete die Beschäftigung mit
Moses und Aron eine „Rückkehr zur jüdischen Religion“, aber nicht nur das – die
Arbeit an dieser Oper war für ihn die Auseinandersetzung mit einer religiösen und,
dem Sprachgebrauch der Zeit entsprechend, nationalen Identität, die für ihn im Ju-
dentum eine untrennbare Einheit bildeten. In diesem Sinne wurde auch das Titel-
bild dieses Buches, Moses und Aaron, des österreichisch-jüdischen Malers Heinrich
Sussmann (1904–1986) ausgewählt – identitätsstiftende Tradition und Religion wa-
ren und sind in der jüdischen Erfahrung untrennbar miteinander verbunden. Diese
Identität aufzuspüren, versuchte der Wiener jüdische Kunsthistoriker und Museums-
direktor Hans Tietze, der ebenfalls vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten
musste, und dessen Ziel dem Band als Motto vorangestellt ist :
„Was ich […] versuche, ist […] die Geschichte der Juden Wiens im Zusammenhang mit
dem Leben dieser ganzen Stadt zu erfassen, das heißt, zu erkennen, was Wien für sie und sie
für Wien bedeutet haben und bedeuten, und so die Besonderheit dieses Stückes Wien und
dieses Stückes westeuropäischer Judenheit zu verdeutlichen.“
Ebd., S. 73.
Siehe dazu die Aufführung von Moses und Aron an der Wiener Staatsoper (Saison 2005/2006), Premiere
3. 6. 2006, Dirigent : Daniele Gatti, Regie : Reto Nickler, Ausstattung : Wolfgang Gussmann) ; und auch
das Programmheft.
Hans Tietze : Die Juden Wiens,1. Aufl. (erstmals erschienen 1933), Wien : Mandelbaum 2007, S. 9 ;
Hans Tietze : Lebendige Kunstwissenschaft. Texte 1910–1954, hg. von Almut Krapf-Weiler, Schriften der
Akademie der bildenden Künste Wien, Wien : Schlebrügge Editor 2007.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519