Seite - 125 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich 1
Freien Presse wie Armin Brunner, Richard Charmatz, Moritz Epstein, Friedrich Anton
Fliegel, Hermann Goldschmiedt, Wilhelm Singer, Rudolf Lothar Spitzer waren Frei-
maurer, beim Neuen Wiener Abendblatt Paul Busson, Moritz Scheyer, Felix Schmal.
Die Tageszeitungen Der Abend, Der Morgen und Der Tag standen in einem Nahever-
hältnis, was sich nicht zuletzt in Ankündigungen der Veranstaltungen der Vereine im
Umfeld manifestiert. Max Ermers gab 1919/20 die aktivistische Zeitschrift Neue Erde
und 1934/35 die politische Zeitschrift Die Zeit heraus, die sich für eine Versöhnung
der Arbeiterschaft mit den Christlichsozialen einsetzte. Der aus Böhmen stammende
Anwalt Heinrich Herbatschek edierte von 1929 bis 1931 die Zeitschrift Der Nachbar.
Blätter zur Förderung der Kulturgemeinschaft und Völkerverständigung, die positiv auf
den österreichisch-tschechischen Dauerkonflikt einzuwirken versuchte.
Als ideelle Meinungsbildner können der Friedensnobelpreisträger Alfred Hermann
Fried, der Soziologe Rudolf Goldscheid, der Individualpsychologe Alfred Adler und
der Sozialphilosoph Josef Popper-Lynkeus genannt werden, wobei Letzterer kein Frei-
maurer war. Zwar gab die GLvW im öffentlichen Raum keine politischen Statements
ab, doch sie unterstützte massiv den Pazifismus und ihr nahestehende humanitär-
universalistische Weltanschauungen, was intern mit dem der Literatur entlehnten
Schlagwort „Aktivismus“ bezeichnet wurde. Zu den bis 1938 unterstützten Institu-
tionen gehörten unter anderem : Allgemeine Nährpflicht, Arbeitsgemeinschaft ös-
terreichischer Friedensvereine, Bereitschaft, Ethische Gemeinde, Französisch-öster-
reichisches Schüleraustausch-Komitee, Lebensmüdenstelle der Ethischen Gemeinde,
Liga für Menschenrechte, Österreichische Friedensgesellschaft, Pan-Europa, Sozialpä-
dagogische Gesellschaft, Soziologische Gesellschaft, Settlement, Volksbildungsverein,
Völkerbundliga und Weltjugendliga. 9
Wladimir Misar (seine Frau Olga war eine hochaktive Pazifistin) war nicht nur
von 1922 bis 1938 Großsekretär, sondern auch Mitglied fast aller hier genannter
Vereine und somit deren zentrale Schaltstelle innerhalb der GLvW, er definierte die
Aufgaben der Freimaurerei wie folgt : „Da wird unter dem Begriffe ‚Innenarbeit‘ zu-
nächst die individuelle Arbeit des Freimaurers an sich selbst – die Arbeit ‚am rauhen
Siehe dazu : Friedrich Stadler, „Spätaufklärung und Sozialdemokratie in Wien 1918–1938. Soziologi-
sches und Ideologisches zur Spätaufklärung in Wien“, in : Franz Kadrnoska (Hg.), Aufbruch und Unter-
gang. Österreichische Kultur zwischen 1918 und 1938, Wien 1981, S. 441–473 ; Rainer Hubert, „Freimau-
rerischer Aktivismus 1890–1938“, in : Der kurze Traum 1918–1938, Österreichisches Freimaurermuseum
Schloss Rosenau 1988, S. 9–22 ; Ingrid Belke, Die sozialreformatorischen Ideen von Josef Popper-Lynkeus
(1838–1921) im Zusammenhang mit allgemeinen Reformbestrebungen des Wiener Bürgertums um die Jahr-
hundertwende, Tübingen 1978 ; Eugen Lennhoff (Hg.), „Die Gegenwartsmaurerei. Gesicht, Tat. Fest-
schrift der Großloge von Wien anlässlich des zehnjährigen Jubiläums am 8. Dezember 1928“, in : Wiener
Freimaurer-Zeitung, Wien 1928.
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Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519