Seite - 140 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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1 0 Evelyn Adunka
war inzwischen im Juli ermordet worden – brachten sie schließlich im Unterrichts-
ministerium eine von Wolf Pappenheim mitunterzeichnete Eingabe um eine An-
erkennung der orthodox-israelitischen Religionsgemeinde als Kultusgemeinde ein. Die
Eingabe enthielt zahllose schwerwiegende Anschuldigungen und begann mit der Fest-
stellung, dass „das Judentum in zwei dogmatisch getrennte Gruppen zerrissen“ wäre,
„in Altgläubige und Reformer“.
Trotz positiver Äußerungen von Dollfuß’ Nachfolger Kurt von Schuschnigg, eines
positiven Gutachtens von Prälat Johannes Hollnsteiner und sympathisierender Äuße-
rungen in der in den Jahren davor antisemitischen Reichspost wurde die Entscheidung
auf die lange Bank geschoben und blieb bis 1938 unentschieden. (Hollnsteiner spielte
in der ns-Zeit ab 1941 als Leiter der Bibliothek des nationalsozialistischen Histori-
schen Forschungsinstituts in St. Florian eine sehr dubiose Rolle, wie Friedrich Buch-
mayr in einer biografischen Studie beschrieb.)
Ein nicht namentlich bekannter Beamter hielt in einer Stellungnahme an dem
Grundsatz des Israelitengesetzes fest, dass sich der Staat nicht in die innerjüdischen
Angelegenheiten einmischen solle. Dazu kam noch, wie er betonte, die innere Un-
einigkeit der Orthodoxie. Zwar stand die Zeitung der Orthodoxie, die Jüdische Presse,
hinter den Trennungsbestrebungen, aber die Mehrzahl der Bethäuser stand hinter der
ikg und berief auch wiederholt Protestversammlungen gegen die Politik der Schiff-
schul ein.
Resümee
1936 hatten alle Tempel und Bethäuser zusammen 29.200 Sitzplätze. Zu den Hohen
Feiertagen mietete die ikg weitere temporäre Räumlichkeiten mit 22.000 Plätzen. Das
bedeutete, dass mehr als ein Viertel der Wiener Juden zumindest an den großen Feier-
tagen in Synagogen ging.
Neben den Synagogen waren die Jugendbewegungen und der Religionsunterricht
die weiteren wichtigen institutionellen Vermittler jüdischer Identität. Die jüdischen
Jugendbewegungen waren jedoch einer großen Konkurrenz ausgesetzt und mussten
sich gegenüber der in den Zwanziger- und Dreißigerjahren sehr populären säkularen
sozialdemokratischen oder pfadfinderischen Jugendkultur behaupten. Die wenigen
verfügbaren Zahlen sprechen eine deutliche Sprache.
Der Jugendbund Blau-Weiß hatte 1918 in Böhmen, Mähren und Österreich 1.200
Mitglieder. Der Verband der jüdisch sozialistischen Arbeiterjugend Österreichs hatte
1929 400 Mitglieder. Die rund 17 zionistischen Jugendverbände, die in den Dreißi-
gerjahren existierten, hatten jeweils einige wenig hundert Mitglieder. Der berühmte
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Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519