Seite - 151 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien 1 1
Die Bachurim traditionell eingestellter Jeschiwot haben sich vielfach gegenseitig
im Erwerb des Allgemeinwissens gefördert. Die Jeschiwa hatte damit nichts zu schaf-
fen. Da manche es aber offensichtlich duldeten, kann man solche Jeschiwot als ge-
mäßigt orthodox bezeichnen.
Die Gründung der Israelitisch-Theologischen Lehranstalt (ITLA)
Schon 1860 wurde auf Anregung von Adolf Jellinek, zweiter Prediger (Rabbiner) des
Stadttempels, in Wien das Beth Ha-Midrasch gegründet. In dieser Institution, die
von Meir Friedmann (1831–1908) und von Isaak Hirsch Weiss (1815–1905) als Lek-
toren geleitet wurde, konnten Rabbinatskandidaten ihr jüdisches Wissen erweitern.
Diese sind aus den Kronländern nach Wien gekommen, um an der Wiener Universi-
tät einen Dr. Phil. Titel zu erwerben. Das Beth Ha-Midrasch konnte auch namhafte
jüdische Wissenschaftler zu Vorlesungen verpflichten und war auch für das interes-
sierte jüdische Publikum zugänglich. Bedingt durch die relativ geringen finanziellen
Mittel, die dieser Lehranstalt zur Verfügung standen, war sie aber nicht in der Lage,
ein volles Ausbildungsprogramm für Rabbiner zu bieten.
Dies wurde erst durch die Gründung der itla ermöglicht. Nachdem am 25. Sep-
tember 1893 das abgeänderte Organisationsstatut genehmigt und der endgültige
Vorlesungsplan erstellt wurde und bereits am 11. und 12. Oktober die Aufnahme-
prüfungen abgehalten worden waren, wurde die Israelitisch-Theologische Lehran-
stalt am 15. Oktober 1893 eröffnet. Wegen der anhaltenden schweren Erkrankung
des Präsidenten Königswarter war nur eine schlichte Eröffnungsveranstaltung vor-
gesehen. Oberrabbiner Dr. Moritz Güdemann betonte in seiner Ansprache, dass
diese Lehranstalt eine „Tochteranstalt des Breslauer Seminars sei“, die man nach
dessen Vorbild eingerichtet habe. Er ging im Weiteren auf den Lehrplan ein und be-
schrieb die Sinnhaftigkeit und die mit dem Unterricht verbundene Zielsetzung der
einzelnen zum Vortrag kommenden Themenkreise. Güdemann schloss mit der Fest-
stellung, dass „der Geist, der hier walte ein Geist [sei], der nicht durch das Richt-
maß bewirkt werden soll, sondern der bei aller Uneingeschränktheit der Forschung
und Lehre, durch die gemeinsame Erkenntnis, dass es sich um religiöse Bildung der
Hörer durch religiöse Vorbildlichkeit der Lehrer handelt, sich von selbst ergibt“9.
(Diese komplizierte Formulierung wurde von Güdemann wahrscheinlich deshalb
verwendet, um einerseits den konservativen Standpunkt zu betonen, wonach der
Glaube der Forschung Grenzen zu setzen habe, andererseits aber zu vermeiden, dass
Dr. Blochs Österreichische Wochenschrift, 11, 1893, S. 791.
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Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519