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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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0 Karin Stögner Salome, Urbild der „Ewigen Jüdin“, Synonym für die dämonische Frau, die Femme fatale, den Vamp : ihre Bluttat sei im Grunde aus der bewusstlosen Verzweiflung ob ihrer eigenen „Unerlöstheit“ motiviert ; unerlöst in ihrer Weiblichkeit, hatte sie sich nicht zum „echten“, „authentischen“, nährenden, enthaltsamen, allein auf die Ingroup ausgerichteten Frausein geläutert ; ein Frausein, das schon nicht mehr bürgerlichen, sondern völkischen Moral- und Idealvorstellungen entsprach. Das in Salome ange- sprochene Frauenbild ist eine Warnung vor der Frau mit der Waffe. Gleichzeitig zur „Feminisierung der Kultur“ wurde die „Vermännlichung des Weibes“ diagnostiziert, ein Diskurs, der aus der Widersprüchlichkeit innerhalb der Gesellschaft resultierte. Denn während der kapitalistische Produktionsprozess Frauen rückhaltlos außerhalb der ihr bislang angestammten häuslichen Bereiche verwertete und so das traditionelle Machtgefälle der Familie aufbrach, wurde nichtsdestotrotz an eben dieser Ungleich- verteilung verstockt festgehalten. Das Schreckbild der phallischen Frau Salome, des monströsen Mannweibs, zeigt eine neue Ordnung an, angstbesetzt und doch begehrt meint es in gewisser Weise auch immer die Proletarierin und die Hure, die „babylo- nische Hure“, die mit dem Bolschewismus paktiere. So beschrieb Hans Zöberlein die gegen die faschistischen Freikorps kämpfende proletarische Frau und Kommunistin als „Teufel in ihrem russisch-orientalischen Leib“. Die bewaffnete Frau, verzerrte Gestalt der emanzipierten Frau, flößt als eigenständig handelndes und kämpfendes, auch revo- lutionäres Subjekt ungeahnte Angst ein. Schließlich wurde die Revolution überhaupt mit wilder, sexuell aggressiver Weiblichkeit, mit „revolutionärer Hysterie“ assoziiert, ein Bild, in das all die realen und unterstellten Unmäßigkeiten der revolutionären Um- gestaltung der Gesellschaft gepackt werden konnten. Von Olympe de Gouges über die verweiblichten Darstellungen der Pariser Kommune bis zu den Flintenweibern und Partisaninnen während des Ersten Weltkriegs und danach : die Imaginationen der vom „Rausch der Revolution“ benebelten „Vermännlichten Weiber“, welche die Grundfesten des Systems von Eigentum und Machterhalt erschütterten, waren stets präsent. Das Flintenweib etwa war die völlig widernatürliche Frau, die die Ordnung der Dinge ins Wanken brachte und sich vollkommen vom eingespielten nährenden Prinzip des Mütterlichen losgelöst hatte. Der Romanschreiber Edwin Erich Dwinger bringt dies auf den Punkt, indem er die „eurasische“ Revolutionärin Marja ausrufen lers mit dem simplen Titel Liebe (1908), auf dem eine nackte Judith-Salome über den geköpften Holofernes- Täufer triumphiert, ein Schreckbild der sinnlos zerstörerischen Gewalt der Weiblichkeit über die männliche Zivilisation. (Vgl. die Abbildungen in Bram Dijkstra, Idols of Perversity, S. 378, S. 387, S. 400.) Hans Zöberlein, Befehl des Gewissens, zitiert nach Klaus Theweleit, Männerphantasien 1. Frauen, Fluten, Körper, Geschichte, Reinbek bei Hamburg 1980, S. 76. Cf. Joan Wallach Scott, Only Paradoxes to Offer. French Feminists and the Right of Man, Cambridge, Mass., London 1996, S. 101.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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