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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Seite - 413 -
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Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle 1 Zwischenraums wird zur Anwendung gebracht. Im konkreten Fall wird Zwischen- raum allerdings nicht als Bereich an den Grenzen von jüdischen und nichtjüdischen kulturellen Kontexten verstanden, sondern stärker im Sinne von Victor Turner als eine Sphäre jenseits des gewohnten Alltages und seiner kulturellen Prozesse. Die Veranstaltung wurde zu Fasching 1903 vom Leopoldstädter Frauen-Wohltätig- keitsverein unter dem Motto „Tanz in Bildern“ organisiert. Dabei wurden Werke be- kannter Maler von Akteuren nachgestellt und in Szene gesetzt, d. h. sie machten eine kleine Aufführung daraus. Diese Variante der „motion pictures“ ist unter zweierlei Gesichtspunkten sehr interessant : Zum Ersten zeigt sie die Zunahme des Performa- tiven in der zeitgenössischen Kultur. Das Bild als textuelle Quelle wird dynamisiert. Seine Bedeutung wird nicht mehr durch einen Betrachter eines (statischen) Produktes generiert, sondern wird in zwei Prozesse aufgespaltet. Im ersten Vorgang wird die Aus- legung des Bildes durch eine Schauspieltruppe für ihre Performance vorgenommen, und danach wird das gemalte Werk indirekt, über die Deutung der Aufführung, inter- pretiert. So wie das Bild durch die Performance ersetzt wird, so auch dessen unmittel- bare Auslegung durch die Deutung der theatralischen Darstellung. Der zweite Punkt, der in diesem Zusammenhang von Interesse ist, betrifft die Auswahl der Bilder, die nachgestellt wurden. Unter den ausgesuchten Werken befand sich ein Werk von Franz Defregger mit dem Titel „Ankunft auf dem Tanzboden“, das eine „Schuhplattler-Truppe“ darstellt. Defregger (1835–1921) war ein österreichi- scher Genre- und Historienmaler, der sich auf die Darstellung von Alltagsszenen aus dem Tiroler Bauernleben spezialisierte. Sein künstlerisches Schaffen reichte bis in das frühe zwanzigste Jahrhundert, ohne dass sein Spätwerk zur Moderne zu zählen wäre. Er war ein Maler, der mit seinem Stil und seinen Motiven Bilder über eine Zeit vor- legte, die von der Dynamik der neuen Epoche unberührt blieben. Defregger war kein Repräsentant der oftmals als jüdisch bezeichneten Moderne, sondern stellte eher den Kontrapunkt zu ihr dar. Das Prädikat „jüdisch“ für die Kultur der Wiener Moderne ist einigermaßen berech- tigt, wenn damit der Anteil der Juden an den Kulturschaffenden gemeint ist. Sie waren in einem zu ihrer Bevölkerungszahl überproportionalen Maße nicht nur auf dem Ge- biet der Psychologie vertreten, wie die Namen Sigmund Freud und Alfred Adler nahe- legen, in der Literatur, im Theater und anderen Bereichen, sondern sie waren auch als Mäzene sehr wichtig. „Während die kulturelle Elite Wiens keineswegs gänzlich jüdisch Damit soll nicht ausgedrückt werden, dass es sich bei der Nachstellung der Gemälde um eine primitive Frühform des Spielfilms handelte. Vielmehr bildete sie ein Beispiel sogenannter tableaux vivants, die es seit dem späten 18. Jahrhundert gab. Oesterreichische Wochenschrift 4, 1903, S. 57. Steven Beller, Wien und die Juden 1867–1938, Wien 1993, S. 40.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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