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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Brigitte Dalinger seits sicher Einfluss auf die Auseinandersetzung mit dem jiddischen Theater, das ja eine populäre Kunstform war, andererseits muss der Terminus „Schund“ in Bezug auf das jiddische Theater genauer erklärt werden. Genau besehen bezeichnet „Schund“ eine bestimmte Form jiddischer Dramatik, die aufgrund der rasanten Entwicklung dieser Theaterform entstand. Das jiddische Theater entwickelte sich nach dessen Gründung 1876 in Rumänien durch Abraham Goldfaden sehr schnell, es breitete sich binnen weniger Jahre und Jahrzehnte in Ost- europa und Russland, in Westeuropa und den usa aus, um 1890 gab es in New York bereits konkurrierende Ensembles. Die ersten Dramatiker nach Goldfaden waren Schauspieler und Musiker, die für ihre Truppen auch schrieben und oft gezwungen waren, jede Woche ein neues Stück zu bieten. Goldfadens Rezept für ein wirksames Stück lautete – kurz formuliert – „A song, a jig, a quarrel, a kiss.“ Ähnlich gingen auch seine Nachfolger vor, die teilweise unter stärkerem Zeit- und Produktionsdruck standen. Sie nahmen ihre Stoffe aus der Weltliteratur und -dramatik, setzten sie in ein jüdisches Milieu mit entsprechenden Namen, und „Würzten“ mit Musik, jüdischen Bräuchen und Festen. Die Historikerin Nahma Sandrow nannte diesen Vorgang „To ‚bake‘ plays“. „Operettas, comedies, historical spectacles, trashy melodramas, in a word, shund – Yiddish for trash […]“ entstanden, auch „[…] overheated melodramas with big star parts […]“ . Von etwa 1890 bis in die Zwanzigerjahre hatte das jiddische Theater seinen Hö- hepunkt in New York, die Autoren kamen mit dem Schreiben kaum nach, einzelne von ihnen verfassten um die zweihundert Stücke für die konkurrierenden Ensembles. Dass viele dieser schnell geschriebenen und oft auch rasch wieder abgesetzten Stücke im Detail nicht sehr durchgefeilt waren, ist klar. Dennoch erfüllten diese Theatertexte ihren Zweck. Sie bildeten das Repertoire der jiddischen Theater, in ihnen wurden aktuelle Ereignisse – oft in merkwürdigen Ausformungen – aufgenommen, sie waren auf ihre Stars hin zugeschnitten und beim Publikum sehr populär. Parallel zu dieser Entwicklung begannen Zuseher wie Kritiker ein anspruchsvol- leres jiddisches Theater zu fordern, die Aneignung von Plots in melodramatischer Form wurde mehr und mehr in Frage gestellt und abgelehnt, und die entsprechenden Theatertexte pauschal als „Schund“ abgetan. Vgl. David A. Brenner, „Making Jargon Respectable : Leo Winz ‚Ost und West‘ and the Reception of Yiddish Theatre in Pre-Hitler Germany“, in : Leo Baeck Institute Year Book 42, 1997, S. 51–66, S. 61. Stefan Kanfer, Stardust Lost. The Triumph, Tragedy, and Mishugas of the Yiddish Theater in America, New York 2006, S. 68. Nahma Sandrow, Vagabond Stars. A World History of Yiddish Theater, New York 1986, S. 105. Kanfer, Stardust Lost, S. 67. Ebd., S. 84.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Untertitel
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Autor
Frank Stern
Herausgeber
Barabara Eichinger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2009
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
558
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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