Seite - 458 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Birgit Peter
die ersten Takte des Vorspiels erklingen“ 9. Die Erinnerung scheint ungebrochen, das
Wienerlied fungiert, wie es Matthias Heinzel in seiner Diplomarbeit zum Wienerlied
ausdrückt, als „urbane Kennmelodie“, ist „Ton-Denkmal, also ein Speichermedium
kollektiver Erinnerungen (Kultur der Erinnerung) und Ton-Dokument im Sinne
eines (virtuellen) Schriftstückes, das die Wirklichkeit belegt resp. nachgestaltet und
dessen Fokus im Aufbewahren – also dem Retten vor der Vernichtung – liegt (Kultur
der Aufmerksamkeit)“ 0.
Diese vermeintliche Bruchlosigkeit, Kontinuität in der Rezeption von Leopoldis
Werk lässt sich dadurch erklären, dass die Lust des Publikums an der Wiedererken-
nung so groß war, dass es ihm – ganz im Gegensatz zu anderen zurückgekehrten
Künstlern – möglich war, seine Karriere erfolgreich weiterzuführen. In diesem Zu-
sammenhang bemerkenswert ist eine Passage aus dem Artikel der Österreichischen
Volksstimme „Das Wienerlied ist heimgekehrt“. Es wird nicht die Frage gestellt, wie es
Leopoldi möglich ist und warum er 1947 für die Wiener ihr Wien besingt, das wird
als selbstverständlich angenommen. In der Imagination eines Kunst-Wiens stellen
sich keine Fragen der Verantwortung und Schuld, auch keine der Revokation einer
schmerzvollen Erinnerung. Ganz im Gegenteil, Leopoldis Rückkehr und Auftritt
wird als Apotheose des Neuen Österreichs interpretiert. Im Rückgriff auf das Ver-
traute – das ohne schmerzliches Erinnern konsumiert wird – soll er dem Publikum
etwas „Neues“ schenken, „das verzeihende Vergessen.“
Hermann Leopoldis Erfolg nach 1945 dient hier als Beispiel, mit welcher Gier sich
die Nachkriegswiener ihres Wienbild-Produzenten bemächtigten und wie notwendig
es offenbar war, diese Stadtimago wiederherzustellen. Er starb 1959 in Wien.
Die Ambivalenz des Wienbildes
Abschließend wird auf der Basis der vorgestellten Persönlichkeiten und ihres Beitrags
zu einem spezifischen Wienbild resümiert, woraus sich dieses zusammensetzte.
Österreichische Volksstimme, 17.9.1947.
0 Matthias Heinzel, Alt-Wien im Wienerlied. Das Wienerlied im zeitlich-räumlichen Koordinatensystem.
Dipl., Wien 2006, S. 13.
Österreichische Volksstimme, 17.9.1947, Dieser Gestus findet sich auch in neuesten Arbeiten, beispiels-
weise in der 2004 erschienenen Dissertation von Yvonne Rutka über das Wienerlied. Sie verweist zwar
auf Pick und Leopoldi, es wird allerdings nicht die Frage gestellt, was es bedeutet, dass jüdische Künstler
in diesem Feld wesentliche Beiträge schufen. In dieser Logik wird auch 1938–1945 ausgeblendet. Vgl.
Yvonne Rutka : „I’ hab ka Angst vor’ m Weanalied !“ Das Wienerlied lebt – und wie. Auf den Spuren jun-
ger Wienerliedmusiker. Eine historisch-soziologische Auseinandersetzung mit einer Lebenswelt, Diss., Wien
2004.
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Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519