Seite - 468 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Werner Hanak
damals nannte. Die vier Söhne des frommen Bauern und Flickschusters aus der Nähe
von Warschau , die ihre Karriere mit einem alten Film-Projektor begonnen hatten,
standen nun in einer Reihe mit mgm, Paramount, Universal und Fox.
Leopoldstadt
Kommen wir nach Wien zurück und
steigen wir auch hier in die hiesige
„Poverty Row“ ein. Als Armenzeile der
Wiener Theaterwelt kann man die Prater-
straße in den Zwanzigerjahren durchaus
bezeichnen. Als hier am 2. Oktober 1923
ein Stück namens Frau Breier aus Gaya
mit der Kultschauspielerin Gisela Wer-
bezirk Uraufführung hatte, machten in
dieser Straße alleine vier Bühnen gleich-
zeitig Programm. Die Praterstraße war
mit dieser Anzahl von Theatern zwar der
Wiener Broadway, doch eben auch die
„Poverty Row“, denn hier hatte sich eine
buntgewürfelte Ansammlung von Büh-
nen – heute würde man sie mehr oder
weniger anerkennend als Ethnotheater
bezeichnen – vereinigt. Hier gab es die
Jüdischen Künstlerspiele, die Jüdische
Bühne und eben die Rolandbühne. Sie alle waren arm, aber modern, und zudem
waren sie alle jüdisch. Aber jüdisch war nicht gleich jüdisch. Manche spielten, wie es
Brigitte Dalinger in Verloschene Sterne , dem Standardwerk zum jiddischen Theater
in Wien, und auch in ihrem Beitrag in diesem Band detailliert dargestellt hat, auf Jid-
disch, andere im sogenannten Jargon, andere wiederum einfach auf Wienerisch. Und
sie alle sammelten sich rund um einen sterbenden Theater-Schwan, das Carl Theater,
also das ehemalige Leopoldstädter Theater, wo zuerst der Kasperl, dann Nestroy und
Vater Benjamin Warner verließ mit seiner Familie 1883 Krasnosielc, nahe Warschau, in Richtung Balti-
more. Die beiden älteren Brüder Harry und Albert kamen noch in Polen 1881 und 1883 zur Welt. Sam
und Jack wurden hingegen 1887 und 1892 in Kanada geboren.
Brigitte Dalinger, Verloschene Sterne. Geschichte des jüdischen Theaters, Wien 1998.
Abb. 1: Annonce für die Premiere der Frau Breier
aus Gaya am 3. Oktober 1923 in der Rolandbühne,
Neue Freie Presse, 2. 10. 1923
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519