Seite - 470 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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0 Werner Hanak
tion des Paares richtet sich stets nach dem Gerede der „guten Gesellschaft“, wobei
sich die Eheleute ihre niedrige Herkunft immer wieder gegenseitig vorhalten. So sagt
Maurice Kron-Korn zu seiner Frau Yvonne :
„Kron : ,Jedes Flitscherl muss heut schon ein Elektromobil haben.‘
Yvonne : ,Flitscherl ! Wo du nur diese Terminologie her hast, Maurice !‘
Kron : ,[…] meine liebe Yvonne – du verstehst die Terminologie ganz ausgezeichnet, bei
dir zu Haus is nie anders geredt worden. In Hernals, bei deinen Herren Eltern, wo die
Fenster mit Lahm verpickt waren.‘
Yvonne : ,Pardon, da muss ich entschieden bitten – bei uns hat es nie verpickte Fenster ge-
geben.‘
Kron : ,Also nicht amal verpickt waren sie ?‘
Yvonne : ,Das mag in Gaya, in deiner Heimat Mode gewesen sein – wo deine leibliche
Schwester heute noch als Ganslerin auf dem Markt sitzt und ihre israelitischen Lebern
feilhält, diese schwer verdaulichen rituellen Nahrungsmittel.‘
Kron : ,Kein Wort weiter ! Da muss ich schon bitten – du kannst mich beleidigen – und von
mir aus auch meine Schwester – auch meine Vaterstadt Gaya – aber, wenn du auf das re-
ligiöse Gebiet deine Angriffe richtest und in liebloser Weise die Ganslebern meiner Väter
schmähst, so muss ich schon sagen, dass ich das in keinem Falle zugeben kann.‘“
Trotz der Vorurteile der Ehefrau fährt die Familie auf Besuch nach Gaya, um die
Schwester Sali, die dort auf dem Gänsemarkt steht, zu besuchen. Die Szenen in Gaya
– und dies meistert dieses Bühnenstück auf einzigartige Weise – sehen die Zuschauer in
einem Stummfilm : In Gaya entsteht die Komik aus der Deplatziertheit der städtischen
Charaktere, etwa wenn sie gesammelt aus dem noblen Auto mit Chauffeur steigen. In
Wien sind es dann natürlich die ländlichen Figuren, die fremd wirken, aber nicht alle
sind unterlegen. David, einziger Sohn der Sali Breier, folgt einer Einladung seines On-
kels, in der hauseigenen Bank in Wien als Lehrling anzufangen. Doch die Stadt schlägt
mit all ihren Gefahren zu. Als am gefährlichsten entpuppt sich zuerst die verdorbene
Stadtfamilie selbst : Vom Onkel wird er als Volontär finanziell ausgenutzt, die Stief-
Cousine Meta neckt ihn stets mit zweideutigen Angeboten. Cousin Heinz aber reitet
David schlussendlich vollkommen ins Verderben, indem er sich immer wieder Geld aus
dessen Bankkassa ausborgt. David, dessen Kasse nun mit fehlenden inflationären 80
Millionen geprüft werden soll, sieht nur mehr im Erscheinen seiner geliebten Mutter
Frau Breier aus Gaya, Revue mit drei Filmzwischenspielen und einem gerichtlichen Nachspiel von Alfred
Deutsch-German und Armin Friedmann, Bühnenmanuskript ; Niederösterreichisches Landesarchiv,
Zensursammlung, Rolandbühne 1923, 11/4, S. 5.
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Buch Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Titel
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Untertitel
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Autor
- Frank Stern
- Herausgeber
- Barabara Eichinger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2009
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 558
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519