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Herberstein, Karl Johann von
gie studierte. Allerdings konnte Valentin Einspieler
Unstimmigkeiten in der gängigen Forschungsmeinung
aufzeigen. Einspieler konnte nachweisen, dass H.
in Salzburg Theologie studierte, wo er am 5. Dezem-
ber 1735 in den Matrikeln erwähnt wird. Für ein Stu-
dium bei den Benediktinern in Salzburg spricht neben
zeitlichen Faktoren und genannter Erwähnung in den
Matrikeln nicht zuletzt H.s theologischer Standpunkt,
der sich mit einer jesuitischen Ausbildung kaum ver-
einbaren lässt. Von 1769 bis 1772 war er Hilfsbischof ;
von 1772 bis 1787 Bischof von →
Ljubljana. Er war
Vertreter des österreichischen Reformkatholizismus in
der Form des → (Spät-)Jansenismus und Verfechter
der josephinischen Staatsreform, des → Josephinismus.
In jansenistischem Geiste war H. dezidierter Förderer
der slowenischen nationalen Wiedergeburt (→ pre-
porod). H. erkannte die Bedeutung der Volkssprache
für die Erneuerung der römisch-katholischen Kirche
(→ Jansenismus) und des Staatswesens (Josephinis-
mus). Folglich wurde H. zum großen Förderer der
slowenischen Sprache und ihrer Verschriftlichung. Im
Jahre 1773, also kurz nachdem er ordentlicher Bischof
von Ljubljana geworden war, gab er seinem bischöfli-
chen Sekretär Jurij →
Japelj (1744–1807) den Auftrag
zu einer katholischen Übersetzung der Heiligen Schrift
in slowenische Sprache. Die Übersetzung erschien in
Heftform von 1784 bis 1802. Bis zu Japeljs Überset-
zung war durch eine päpstliche Sondererlaubnis die
protestantische Bibelübersetzung Jurij → Dalmatins
(erschienen 1584) in Gebrauch. Neben dem Auftrag
zur Übersetzung der Heiligen Schrift regte Herber-
stein Japelj u. a. zum Verfassen von Gesang- und
Gebetsbüchern sowie des Großen Katechismus (1779)
in slowenischer Sprache an. H.s durch den Spätjan-
senismus geleitete Bemühungen um die slowenische
Volkssprache knüpften an die literarische Tätigkeit der
slowenischen Reformation an (→ Protestantismus)
und sorgten so, wenn man von der Epoche der → Ge-
genreformation absieht, für die Kontinuität der slowe-
nischen Schriftsprache (→ Standardsprache). Gerade
wegen dieser Verflechtung des Spätjansenismus mit der
slowenischen nationalen Wiedergeburt hielt sich der
Spätjansenismus im slowenischen Gebiet länger als in
anderen Teilen der Monarchie. Neben Japelj rief H.
junge jansenistisch gesinnte Geistliche, wie Janez Pavel
Stroj (1758–1807), Janez Krstnik Rode (1742–1818),
Jernej Bastjančič (1754–1818), Jurij Gollmayer
(1755–1822) und Janez Debevec (1758–1821), an den
bischöflichen Hof. Sie hatten die Aufgabe, die Schriften der französischen Jansenisten aus dem Französischen
ins Slowenische zu übersetzen. Die Übersetzungen
dieser theologischen Texte stellten eine wahre Heraus-
forderung dar, festigten aber die slowenische Schrift-
sprache und nationale → Identität. In Zusammenhang
damit kam es zur Zusammenarbeit mit den Aufklärern
(u. a.: Blaž Kumerdej) aus dem Kreis um Žiga → Zois.
Auch Anton Tomaž → Linhart und Martin Kuralt
arbeiteten, wenn auch nur kurzzeitig, an den Überset-
zungen mit. Die ins Slowenische übersetzten Bücher
wurden mehrmals nachgedruckt. Gollmayers Über-
setzung Sveta maša ino krščansko premišljevanje za vsak
dan iz svetega pisma [Die Hl. Messe und christliche
Überlegungen aus der Hl. Schrift für jeden Tag] nach
einem Werk von François-Philippe Mesenguy wurde
insgesamt 18 Mal neu (verbessert) aufgelegt.
Allgemein sorgte H. dafür, dass die Geistlichen eine
gute Ausbildung in slowenischer Sprache erhielten. H.s
Streben nach Erneuerung der Kirche kommt in seinen
Hirtenbriefen, seinen Anleitungen für die Geistlichen
im alljährlichen Gottesdienstkalender und in den
Dekreten der bischöflichen Synoden zum Ausdruck.
Deutlich josephinische Züge zeigt sein Hirtenbrief
aus dem Jahre 1782, ein Jahr nach dem Toleranzpatent
Kaiser Josephs II. 1781, in welchem H. die Gläubigen
zu religiöser Toleranz auffordert und dem Kaiser das
Recht einräumt, in innerkirchliche Angelegenheiten
einzugreifen. Dieser Hirtenbrief gilt als Höhepunkt der
österreichischen Kirchenreform. Bei Joseph II. konnte
H. eine sich an den politischen Landesgrenzen orien-
tierende Neuordnung der Pfarr- und Diözesangren-
zen erreichen. Joseph II. schlug H. als Erzbischof von
Ljubljana vor. Als Gegenleistung für die Zustimmung
zur Ernennung zum Erzbischof forderte der Vatikan H.
auf, seine »Irrungen« zu widerrufen, was H. ablehnte.
Die daraus resultierenden Spannungen zwischen dem
Papst und dem Kaiser wurden erst nach H.s Tod bei-
gelegt.
Lit.: ÖBL ; SBL ; EJ ; ES ; OVSBL. – V. Einspieler : Johann Karl Graf
von Herberstein, Bischof von Laibach. Sein Leben, Wirken und seine Stel-
lung in der Geschichte des Josephinismus (Phil. Diss.). Wien, 1951 ; A.
Slodnjak : Slovensko slovstvo. Ljubljana 1968 ; P. Hersche : Der aufge-
klärte Reformkatholizismus in Österreich. Bern, Frankfurt/M. 1976 ; P.
Hersche : Der Spätjansenismus in Österreich. Wien 1977 ; K. Sturm-
Schnabl : Slovenski narodni preporod in njegovi neposredni odnosi s
francoskim razsvetljenstvom in janzenizmom. In : ČZN 43 (1989) ; M.
Lorenz : Der Jansenismus in der Habsburgermonarchie, (Dipl.-Arb.).
Wien 2007.
Reinhold Jannach
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 1: A – I
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 542
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55