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Der zweite Hauptsatz der Wa¨rmetheorie 94
absolute Absperrung ist in der Natur unmo¨glich —, so tritt im strengen
Sinne unter Umsta¨nden wohl eine anna¨hernde, aber nie eine absolute
Konstanz der Energie eines endlichen Systems ein. Indessen: je ra¨umlich
ausgedehnter man das System wa¨hlt, um so mehr treten im allgemeinen die
a¨ußeren Wirkungen zuru¨ck gegen die Gro¨ße der Energie des Systems und der
A¨nderungen ihrer einzelnen Teile (vgl. §66). Denn die a¨ußeren Wirkungen
sind von der Gro¨ßenordnung der Oberfla¨che, die Energie des Systems aber
ist von der Gro¨ßenordnung des Volumens.1 Bei sehr kleinen Systemen
(Volumenelementen) ist es aus demselben Grunde gerade umgekehrt: hier
u¨berwiegen die a¨ußeren Wirkungen derart, daß die Energie des Systems
gegen jede einzelne a¨ußere Wirkung vernachla¨ssigt werden kann. Von diesem
Satze macht man ha¨ufig Gebrauch, z.B. in der Theorie der Wa¨rmeleitung
bei der Aufstellung der Grenzbedingungen.
In dem hier besprochenen Falle wird man also sagen ko¨nnen: Je ra¨umlich
ausgedehnter das System angenommen wird, um so angena¨herter bleibt im
allgemeinen seine Energie konstant. Man wird schon einen verha¨ltnisma¨ßig
kleinen Fehler begehen, wenn man die Energie unseres Sonnensystems
konstant setzt, einen verha¨ltnisma¨ßig noch kleineren, wenn man dasselbe
bei dem ganzen uns bekannten Fixsternsysteme tut, und in diesem Sinne
hat der Satz: Die Energie eines unendlich großen Systems, oder die Energie
der Welt, bleibt konstant, allerdings eine tatsa¨chliche Bedeutung.2
Ganz in a¨hnlicher Weise la¨ßt sich der Satz von der steten Vermehrung
der Entropie der Welt verstehen. Je umfassender ein System ist, einen desto
kleineren verha¨ltnisma¨ßigen Fehler wird man im allgemeinen begehen, wenn
man den Satz ausspricht, daß die Entropie des Systems zunimmt, ganz
abgesehen von allen außerhalb des Systems eingetretenen Vera¨nderungen.
§ 136. Zum Schlusse mo¨ge noch die prinzipielle Frage nach den
etwaigen Grenzen der Gu¨ltigkeit des zweiten Hauptsatzes kurz ero¨rtert
werden.3 Wenn dem zweiten Hauptsatz der Wa¨rmetheorie irgendwelche
1Dieser Satz gilt ganz allgemein fu¨r alle physikalischen Vorga¨nge, falls unvermittelte
Fernewirkungen ausgeschlossen werden.
2Analytisch la¨ßt sich dies folgendermaßen formulieren: Bezeichnet E die gesamte
Energie, die in einem bestimmten sehr großen Raume R enthalten ist, so gilt die
Gleichung:
lim
r=∞ 1
E dE
dt = 0.
D. h. die Gro¨ße logE a¨ndert sich um so weniger mit der Zeit, je gro¨ßer R genommen
wird, und na¨hert sich unbegrenzt der Konstanz.
3Die folgenden Betrachtungen ero¨rtern die Bedeutung des zweiten Hauptsatzes
selbstversta¨ndlich nur so weit, als sie sich von dem in diesem Werk eingehaltenen,
alle atomistischen Hypothesen vermeidenden Standpunkte aus u¨bersehen la¨ßt.
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Buch Vorlesungen über Thermodynamik"
Vorlesungen über Thermodynamik
- Titel
- Vorlesungen über Thermodynamik
- Autor
- Max Planck
- Verlag
- VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
- Ort
- Berlin und Leipzig
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Seiten
- 284
- Schlagwörter
- Theoretische Physik, Wirkungsquantum, Nobelpreis, Wärme, Temperatur, Hauptsatz, Systeme, Mathematik
- Kategorien
- Lehrbücher
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- Erster Abschnitt. Grundtatsachen und Definitionen 2
- Zweiter Abschnitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie 34
- Dritter Abschnitt. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie 70
- Vierter Abschnitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände 113
- Erstes Kapitel. Homogenes System 113
- Zweites Kapitel. System in verschiedenen Aggregatzuständen 127
- Drittes Kapitel. System von beliebig vielen unabhängigen Bestandteilen (Komponenten) 165
- Viertes Kapitel. Gasförmiges System 199
- Fünftes Kapitel. Verdünnte Lösungen 212
- Sechstes Kapitel. Absoluter Wert der Entropie. Theorem von NERNST 253