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Beweis 95
Schranken gesetzt sind, wie gegenwa¨rtig noch viele Naturforscher und
Philosophen wollen, so la¨ßt sich doch jedenfalls so viel von vornherein
behaupten, daß deren Existenz nur entweder in einer Unrichtigkeit unseres
Ausgangspunktes: der Unmo¨glichkeit des perpetuum mobile zweiter Art, oder
in einem Mangel unserer Beweisfu¨hrung begru¨ndet sein kann. Den ersten
Einwand haben wir schon am Anfang der Beweisfu¨hrung (§116) als berechtigt
anerkannt, er la¨ßt sich durch keine Argumentation beseitigen. Der zweite
Einwand aber, der wesentlich darauf hinausla¨uft, daß zwar die praktische
Unmo¨glichkeit des perpetuum mobile zweiter Art zugegeben wird, nicht
aber die absolute, da wir eben mit unseren beschra¨nkten experimentellen
Hilfsmitteln gar nicht immer imstande seien, eintretendenfalls die in dem
Beweisgang vorausgesetzten idealen Prozesse zur wirklichen Konstruktion
eines perpetuum mobile zweiter Art zu verwerten, erweist sich bei na¨herer
Untersuchung als unstichhaltig. Denn es wa¨re ganz ungereimt, anzunehmen,
daß die Gu¨ltigkeit des zweiten Hauptsatzes irgendwie mit der gro¨ßeren
oder geringeren Ausbildung der Beobachtungs- bez. Experimentierkunst
des Physikers oder Chemikers zusammenha¨ngt. Der Inhalt des zweiten
Hauptsatzes hat ja mit dem Experimentieren gar nichts zu tun, er lautet in
nuce:
”
Es existiert in der Natur eine Gro¨ße, welche bei allen in der Natur
stattfindenden Vera¨nderungen sich immer nur in demselben Sinne a¨ndert.“
Dieser Satz, in dieser Allgemeinheit ausgesprochen, ist entweder richtig oder
falsch; aber er bleibt das, was er ist, ohne Ru¨cksicht darauf, ob auf der
Erde denkende oder messende Wesen existieren, und ob diese Wesen, wenn
sie existieren, die Einzelheiten physikalischer oder chemischer Prozesse um
eine, zwei, oder um hundert Dezimalstellen genauer kontrollieren ko¨nnen,
als wir das heute zu tun vermo¨gen. Die Grenzen des Satzes, falls sie
u¨berhaupt vorhanden sind, ko¨nnen notwendig nur auf demselben Gebiete
liegen, wo auch sein Inhalt liegt: in der beobachteten Natur, und nicht
im beobachtenden Menschen. Daran a¨ndert der Umstand nichts, daß wir
uns zur Ableitung des Satzes menschlicher Erfahrungen bedienen; das ist
u¨berhaupt der einzige Weg fu¨r uns, um zur Erkenntnis von Naturgesetzen
zu gelangen. Sind sie einmal erkannt, so mu¨ssen sie auch als selbsta¨ndig
anerkannt werden, soweit wir u¨berhaupt davon reden ko¨nnen, daß ein
Naturgesetz unabha¨ngig vom denkenden Geiste Bestand hat; und wer dies
leugnen wollte, mu¨ßte die Mo¨glichkeit einer Naturwissenschaft u¨berhaupt
leugnen.
MitdemerstenHauptsatzverha¨ltessichganz a¨hnlich.Derunmittelbarste
unterdenallgemeinenBeweisendesEnergieprinzipsistwohlfu¨rdieMehrzahlder
vorurteilslosen Naturforscher die Tatsache der Unmo¨glichkeit des perpetuum
mobile erster Art, und doch wird sich heutzutage kaum jemand finden, der die
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Buch Vorlesungen über Thermodynamik"
Vorlesungen über Thermodynamik
- Titel
- Vorlesungen über Thermodynamik
- Autor
- Max Planck
- Verlag
- VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
- Ort
- Berlin und Leipzig
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Seiten
- 284
- Schlagwörter
- Theoretische Physik, Wirkungsquantum, Nobelpreis, Wärme, Temperatur, Hauptsatz, Systeme, Mathematik
- Kategorien
- Lehrbücher
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- Erster Abschnitt. Grundtatsachen und Definitionen 2
- Zweiter Abschnitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie 34
- Dritter Abschnitt. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie 70
- Vierter Abschnitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände 113
- Erstes Kapitel. Homogenes System 113
- Zweites Kapitel. System in verschiedenen Aggregatzuständen 127
- Drittes Kapitel. System von beliebig vielen unabhängigen Bestandteilen (Komponenten) 165
- Viertes Kapitel. Gasförmiges System 199
- Fünftes Kapitel. Verdünnte Lösungen 212
- Sechstes Kapitel. Absoluter Wert der Entropie. Theorem von NERNST 253