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Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszusta¨nde 254
chemisch-physikalischer Gleichgewichtszusta¨nde, an denen die Substanz
beteiligt ist, eindeutig abzuleiten. Je nach der Wahl der unabha¨ngigen
Variablen ist aber die Form der charakteristischen Funktion verschieden:
Fu¨r die Energie U und das Volumen V als unabha¨ngige Variable ist
die Entropie S die charakteristische Funktion, fu¨r die Temperatur T und
das Volumen V als unabha¨ngige Variable ist es die freie Energie F, fu¨r
die Temperatur T und den Druck p als unabha¨ngige Variable ist es die
Funktion Φ (vgl. §152a).
In jedem Falle la¨ßt sich der Ausdruck der charakteristischen Funktion
finden durch Integration u¨ber gewisse Gro¨ßen, deren Werte durch geeignete
Messungen bestimmt werden ko¨nnen. Dabei bleibt aber in dem Ausdruck
der Entropie S eine additive Konstante a, in dem der freien Energie F
eine Funktion von der Form aT+ b (§146), in dem der Gro¨ße Φ eine
Funktion von der Form a+ b
T willku¨rlich wa¨hlbar (vgl. §152b, §239). Daß
diese additiven Zusatzglieder absolut genommen gar keine physikalische
Bedeutung haben, ha¨ngt damit zusammen, daß bei den Vorga¨ngen in der
Natur immer nur Differenzen der Energie, der Entropie, der freien
Energie usw. in verschiedenen Zusta¨nden einer Substanz eine Rolle spielen,
bei deren Bildung jene Zusatzglieder sich gegenseitig kompensieren.
Ist aber einmal das Zusatzglied fu¨r irgend einen bestimmten Zustand
einer Substanz fixiert worden, so beha¨lt es selbstversta¨ndlich seinen Wert
fu¨r alle andern Zusta¨nde der Substanz unvera¨ndert bei, und zwar nicht
nur fu¨r denselben Aggregatzustand und dieselbe chemische Modifikation,
sondern auch fu¨r andere Aggregatzusta¨nde und andere Modifikationen, in
welche die Substanz u¨bergefu¨hrt werden kann.
Will man nun, nachdem die Gro¨ße der charakteristischen Funktion einer
Substanz fu¨r eine bestimmte Modifikation nach Willku¨r festgesetzt worden
ist, dieselbe fu¨r eine andere Modifikation finden, so muß man nach einem
reversiblen physikalischen U¨bergang zwischen den beiden Modifikationen
suchen, der einer Messung zuga¨nglich ist, damit man die zur Berechnung der
charakteristischen Funktion notwendige Integration auf irgend einem Wege
durch das U¨bergangsgebiet hindurch ausfu¨hren kann. Derartige U¨berga¨nge
sind aber in vielen Fa¨llen gar nicht realisierbar, da sie ha¨ufig durch Gebiete
labiler Zusta¨nde hindurchfu¨hren, und man ist daher in der Regel gar nicht
imstande, von den thermodynamischen Eigenschaften der einen Modifikation
direkt auf die der andern Schlu¨sse zu ziehen.
§ 282. In diese Lu¨cke der Theorie greift nun ein Theorem ein,
welches W. Nernst im Jahre 1906 aufgestellt hat1 und welches durch die
1Nachr. d. Ges. d. Wissensch. zu Go¨ttingen, Math. phys. Kl. 1906. Heft I. Sitz.-Ber.
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Buch Vorlesungen über Thermodynamik"
Vorlesungen über Thermodynamik
- Titel
- Vorlesungen über Thermodynamik
- Autor
- Max Planck
- Verlag
- VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
- Ort
- Berlin und Leipzig
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Seiten
- 284
- Schlagwörter
- Theoretische Physik, Wirkungsquantum, Nobelpreis, Wärme, Temperatur, Hauptsatz, Systeme, Mathematik
- Kategorien
- Lehrbücher
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- Erster Abschnitt. Grundtatsachen und Definitionen 2
- Zweiter Abschnitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie 34
- Dritter Abschnitt. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie 70
- Vierter Abschnitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände 113
- Erstes Kapitel. Homogenes System 113
- Zweites Kapitel. System in verschiedenen Aggregatzuständen 127
- Drittes Kapitel. System von beliebig vielen unabhängigen Bestandteilen (Komponenten) 165
- Viertes Kapitel. Gasförmiges System 199
- Fünftes Kapitel. Verdünnte Lösungen 212
- Sechstes Kapitel. Absoluter Wert der Entropie. Theorem von NERNST 253