Kunstgewerbe#
Herstellung von Gebrauchs- oder Schmuckgegenständen mit handwerklicher (seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch maschineller) und zugleich künstlerischer Gestaltung. Das Kunstgewerbe schließt verschiedenste Techniken und Materialien, wie Metall (Gold, Silber, Kupfer, Bronze, Messing, Zinn, Eisen und Ähnliche), Glas, Holz, Leder, Keramik, Elfenbein, Email, Textilien und andere ein. Bereits in den Frühphasen der menschlichen Kulturentwicklung ist das Bedürfnis erkennbar, Geräte und Gefäße zu schmücken. Mit den sich in weiterer Folge immer differenzierter ausbildenden Gestaltungsmöglichkeiten bestimmte das Kunstgewerbe die künstlerische Gesamterscheinung der jeweiligen Epoche oder eines Stils nachhaltig mit. Intensive Wechselwirkungen bestanden dabei nicht nur mit den übrigen Kunstgattungen, sondern auch mit der Volkskunst.
Kunstvolle Metall- und Tonarbeiten sind für den österreichischen Raum bereits aus Bronzezeit und Eisenzeit (besonders Hallstattkultur) erhalten. Die für die keltische La-Tène-Kultur charakteristischen Gestaltungsformen dieser Materialien behielten auch während der Römerzeit besonders im norisch-pannonischen Raum, wo sie sich bald mit dem römischen Provinzialstil durchmischten, entscheidenden Anteil. Die Zeit der Völkerwanderung etablierte stark ornamental bestimmte Schmuckformen, besonders in der Metallverarbeitung, die als so genannter "langobardischer Stil" im Alpenbereich bis in das 13. Jahrhundert hinein weit verbreitet blieben. Während für das Erzbistum Salzburg bereits am Ende des 8. Jahrhundert die Tätigkeit bedeutender einheimischer Werkstätten angenommen werden kann (mit einem neuerlichen Höhepunkt im 12. und 13. Jahrhundert), wurden im Herrschaftsbereich der Babenberger anspruchsvolle Ausstattungsgegenstände in Metall (Goldschmiedekunst), Elfenbein oder Email für die mit ihren Residenzen verbundenen Klöster aus den verschiedensten Kunstzentren importiert (Tragaltar der Suanhild in Melk, Krümmen von Abtstäben in Göttweig und Altenburg, Verduner Altar). Erst unter den Habsburgern formten sich Ansätze einer "Hofkunst", die aber ebenfalls entscheidend von auswärtigen Einflüssen geprägt war. Hohe Leistungsfähigkeit bewiesen im 14. Jahrhundert heimische Textilwerkstätten. Besondere Qualität erreichte das österreichische Kunstgewerbe aller Zweige in der Gotik bei der Ausschmückung von Kirchen sowie bei der Herstellung von Waffen und Harnischen. Das stark gestiegene Prunk- und Repräsentationsbedürfnis von Fürsten, Adel und Patriziat steigerte ab dem 16. Jahrhundert die Nachfrage nach kunstvoll verarbeiteten kostbaren Materialien. Die höheren Ansprüche bewirkten dabei auch eine bis dahin unbekannte Arbeitsteilung (zum Beispiel zwischen Zimmermann, Bautischler, Kunsttischler und Intarsist). Eine ähnliche Bedeutung erhielt das Kunstgewerbe im österreichischen Raum erst wieder am Beginn des 18. Jahrhunderts, wo ihm im Rahmen der regen Bautätigkeit des Adels und des Klerus zentrale Aufgaben in der Innen- wie Außenausstattung (zum Beispiel schmiedeeiserne Gitter) zukamen. Mit der Gründung der Wiener Porzellanmanufaktur Augarten (1718) etablierte sich die künstlerische Gestaltung von Gebrauchs- und Ziergegenständen aus Porzellan. In der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts verschaffte die ausgeprägte und sprichwörtliche Wohnkultur des Biedermeier allen Bereichen des Kunstgewerbes eine neuerliche Blütezeit. Der Wunsch, bei den mittlerweile voll entwickelten Möglichkeiten industrieller Gewerbeproduktion auch der künstlerischen Gestaltung Genüge zu tun, führte 1864 in Wien zur Gründung des ersten Museums für Kunst und Industrie auf dem Kontinent (heute Museum für angewandte Kunst). Die Vorbildwirkung brachte in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts die gewünschte Anhebung des Niveaus und die Anerkennung des österreichischen Kunstgewerbes in ganz Europa. Die dabei praktizierte Anlehnung an historische Stile wurde von seiten der Secession allerdings bald sehr heftig abgelehnt. Diese forderte ein modernes, zweckmäßiges und exakt gearbeitetes Kunsthandwerk im Rahmen einer umfassenden Wohn- und Lebenskultur. Die entsprechenden Erzeugnisse der Wiener Werkstätte (1903 gegründet), wie auch des Österreichischen Werkbunds (1912 gegründet) behielten über längere Zeit eine dominierende Stellung und erlangten ihrerseits internationale Bedeutung. Nach 1945 traten für die "angewandte Kunst" Faktoren des Designs und der Zweckmäßigkeit von Gegenständen sowie soziale Zusammenhänge und Lebensbedingungen in den Vordergrund. Fließende Grenzen zwischen "angewandter" und bildender Kunst im engeren Sinn ergeben sich vermehrt, zum Beispiel in der figürlichen Keramik, bei Metallgestaltungen für den öffentlichen Raum oder beim Bauschmuck.
Literatur#
100 Jahre Österreichisches Museum für angewandte Kunst, Ausstellungskatalog, Wien 1964/65; W. Neuwirth, Österreichische Keramik des Jugendstils, Ausstellungskatalog, Wien 1974/75; 4000 Jahre Keramik in Vorarlberg, Ausstellungskatalog, Bludenz 1978; Neues Wohnen. Wiener Innenraumgestaltung 1918-38, Ausstellungskatalog, Wien 1980; W. Neuwirth, Die Keramik der Wiener Werkstätte, Wien 1981; Gold und Silber. Kostbarkeiten aus Salzburg, Ausstellungskatalog, Salzburg 1984; S. Gmeiner und G. Pirhofer, Der Österreichische Werkbund, 1985; H. Fillitz und M. Pippal, Schatzkunst, 1987; G. Koller, Die Radikalisierung der Phantasie, 1987; K. Fenzl (Hg.), Design als funktionelle Skulptur, 1987; W. Schweiger, Meister der Wiener Werkstätte, 1990; Geschnitztes Steinbockhorn, Ausstellungskatalog, Salzburg 1990; Metall für den Gaumen, Ausstellungskatalog, Wien 1990.
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