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vom 04.07.2022, aktuelle Version,

Sozialistische Jugend Österreich

Sozialistische Jugend Österreich
Vorsitz Paul Stich[1]
Gründung 4. November 1894 in Wien[2]
Ausrichtung Sozialismus[3]

Antimilitarismus[4]
Antifaschismus[4]
Feminismus[5][6] / Antiseximus[4]
Internationalismus[4]

Internationale Verbindungen International Union of Socialist Youth[7]

Young European Socialists[8]

Die Sozialistische Jugend Österreich (SJ) ist die größte linke unabhängige Jugendorganisation Österreichs mit einem engen Verhältnis zur Sozialdemokratischen Partei Österreichs, in deren Gremien sie eingebunden ist. Sie ist Mitglied der internationalen Dachverbände Young European Socialists, sowie der International Union of Socialist Youth, die in Wien ihren Hauptsitz hat.

Struktur

Die Sozialistische Jugend ist in allen neun Bundesländern mit Landesorganisationen vertreten, die sich wiederum Orts- und Bezirksgruppen (früher: auch Betriebsgruppen) gliedern. Ihre politische Arbeit besteht einerseits aus der Bildungsarbeit, in Form von Gruppenabenden der Bezirks- und Ortsgruppen, sowie politischer Seminare (Bildungswerkstatt, Antifaschismusseminar, Feminismusseminar) und andererseits aus politischem Aktivismus. Bei Wahlen tritt die Sozialistische Jugend oft mit eigenen Kandidatinnen und Kandidaten an, für die sie Vorzugsstimmen sammeln. Seit der Nationalratswahl 2019 ist die Sozialistische Jugend mit ihrer ehemaligen Vorsitzenden Julia Herr im Nationalrat vertreten.

Räumliche Gliederung

Auf der untersten Ebene ist die Sozialistische Jugend in Ortsgruppen organisiert, d. h. in einer räumlichen Grundstruktur innerhalb einer Stadt, einer Gemeinde oder auch nur eines Dorfes. Die Mitglieder dieser Ortsgruppen wählen in regelmäßigen Abständen einen Vorstand. Gibt es in politischen Bezirken, die zumeist den Verwaltungsbezirken der einzelnen österreichischen Bundesländer entsprechen, mehrere Ortsgruppen, so können sich diese auch als Bezirksorganisation konstituieren und einen Bezirksvorsitzenden sowie einen Bezirksvorstand wählen.

Auf der Ebene darüber gibt es neun Landesorganisationen, die gemäß den neun österreichischen Bundesländern organisiert sind. Der Landesvorstand wird von der Landeskonferenz auf eine bestimmte Periode, die meistv2 Jahre dauert gewählt, auf der Landeskonferenz wird darüber hinaus über Anträge diskutiert und beschlossen, die die politische Leitlinie der Arbeit des Landesvorstandes vorgeben, wobei die Orts- und Bezirksorganisation auf der Landeskonferenz gemäß ihrer Mitgliederstärke durch Delegierte vertreten sind.

Eine gewisse Ausnahme in der SJ-Struktur stellt Wien dar, da die größte Stadt Österreichs zugleich ein eigenes Bundesland ist. Das bedeutet, dass die Sozialistische Jugend Wien als Landesorganisation konstituiert ist, sie setzt sich zusammen aus Bezirksorganisationen, die den einzelnen Wiener Gemeindebezirken entsprechen.

Anzumerken ist noch, dass nicht alle Landesorganisationen unter dem Namen „Sozialistische Jugend“ konstituiert sind. Die Landesorganisation von Salzburg trägt die Bezeichnung „Junge SozialistInnen“ kurz "Jusos" , die Landesorganisation von Kärnten nennt sich „SJG – Die junge Sozialdemokratie“. Der Begriff „SJG“ entstand durch die Zusammenlegung von Sozialistischer Jugend und Junge Generation (SPÖ) in Kärnten, auch die Landesorganisationen in Tirol und Salzburg sind Zusammenlegungen von SJ und JG. Ähnlich war es von 1995 bis 2002 im Burgenland, wo auf Betreiben der SPÖ SJ und JG zur „Juso Burgenland“ („Junge Sozialdemokratie“) zusammengelegt wurden. Seit 2002 heißt die Landesorganisation wieder SJ Burgenland, die burgenländische JG gibt es nicht mehr. In der Steiermark erfolgte im Zuge der Landeskonferenz 2005 die Rückbenennung von "Jusos" in "Sozialistische Jugend Steiermark", in Tirol schließlich auf der Landeskonferenz 2013.

Bundesweit sind die Landesorganisationen durch den "Verband der Sozialistischen Jugend" mit Sitz in Wien zusammengefasst. Verbandsvorsitzender der Sozialistischen Jugend ist seit dem Jahr 2020 Paul Stich. Der Verbandsvorsitzende sowie die anderen Mitglieder des Verbandsvorstandes werden alle zwei Jahre auf dem Verbandstag gewählt. Auf dem Verbandstag sind, analog zu den Landeskonferenzen, die Landesorganisationen und die Orts- und Bezirksgruppen proportional zur Mitgliederzahl mit Delegierten vertreten, um über inhaltliche Leitlinien zu diskutieren.

Frauen*politische Kommission

Als eigener Teil in der Organisation agiert noch die "Frauen*politische Kommission" (FPK), in der sich alle Frauen* in der Sozialistischen Jugend organisieren können. Die Frauen*politische Kommission organisiert unter anderem frauen*politische Kampagnen, eigene Treffen für Frauen*, beschäftigt sich mit frauen*politischen Inhalten und kann auf den Landeskonferenzen oder auf dem Verbandstag auch Anträge stellen. Derzeitige Frauen*sprecherin der Sozialistischen Jugend Romana Greimer

Weitere Strukturen

Die Sozialistische Jugend gründete darüber hinaus 1974 eine Schülerorganisation, die Aktion kritischer Schüler_innen (AKS). Inzwischen arbeitet diese von der SJ unabhängig, aber dennoch in enger Kooperation. Die Sozialistische Jugend verfügt über einen eigenen Verlag, den „Trotzdem-Verlag“, in dem auch das Zentralorgan der SJ, die Zeitung „Trotzdem“, seit 1948 erscheint. Neben der Publikation der Bundesorganisation geben auch die einzelnen Landesorganisationen ihrerseits Printmedien heraus, so zum Beispiel die SJ Niederösterreich das „Direkt“, die SJ Burgenland die "Signale", die SJ Oberösterreich den "Extradienst", die Salzburger JUSOS die "Rotschrift" oder die SJ Wien den „Faktor“. Neben dem „Trotzdem-Verlag“ befindet sich das „Europacamp“ in Weißenbach am Attersee, wo größere Freizeitveranstaltungen und Seminare der SJ abgehalten werden, ansonsten aber ein normaler Campingplatz- und Jugendherbergs-Betrieb herrscht, im Besitz der SJ sowie der SJ Oberösterreich.

Politische Ausrichtung

Die SJ bekennt sich explizit zum Marxismus und tritt daher für die Überwindung des Kapitalismus mit dem Ziel des Sozialismus ein. Die SJ ist aber nicht nur eine klar antikapitalistische Organisation, sondern auch wesentlich antifaschistisch, antirassistisch, antiimperialistisch, antimilitaristisch und antipatriarchal geprägt.

Die SJ ist keine völlig homogene, sondern durchaus pluralistische Organisation. Die grundsätzlich marxistische Ausrichtung hat erst im Jahr 2000 wieder die Oberhand gewonnen gegen jene Organisationsteile, die den Marxismus für nicht zeitgemäß hielten und in diesem Sinne für eine „Modernisierung“, das heißt eine Sozialdemokratisierung der SJ eintraten. Gegenwärtig hat sich das klare Übergewicht der Linken, das sich vor allem als Bündnis der großen Landesorganisationen Niederösterreich, Oberösterreich, Wien, Steiermark und Burgenland präsentiert, in der SJ stabilisiert. Beim Verbandstag im Herbst 2004 hat sich die SJ ein neues Grundsatzprogramm gegeben, das sich am wissenschaftlichen Sozialismus im Sinne von Karl Marx und Friedrich Engels orientiert.

Wenngleich die marxistische Linke in der SJ gegenwärtig die Hegemonie innehat, so ist auch diese Linke durchaus heterogen. Neben der gemäßigten marxistischen Mehrheit in der SJ, die sich u. a. am Konzept des Austromarxismus orientiert, gibt es noch eine weitere kleinere, radikalere Strömung: Dies ist eine trotzkistische Fraktion, die sich rund um die Zeitschrift Der Funke gruppiert. Früher gab es auch eine marxistisch-leninistische Strömung, die sich an der Stamokap-Theorie orientierte. Den stärksten nicht-marxistischen Teil der SJ verkörpert die Bezirksorganisation in Linz.

Verhältnis zur Sozialdemokratischen Partei Österreichs

Viele SPÖ-Politiker haben eine Vergangenheit in der SJ bzw. SAJ und/oder RSJ, so zum Beispiel auch der spätere Bundeskanzler Bruno Kreisky. Dies setzt sich bis heute fort: Der ehemalige Parteivorsitzende der SPÖ, Alfred Gusenbauer, war von 1984 bis 1990 Vorsitzender der SJ, oder auch der ehemalige Bundeskanzler und Parteivorsitzende Werner Faymann war Wiener Vorsitzender der Sozialistischen Jugend von 1981 bis 1987.

Dennoch war das Verhältnis zwischen SJ und der Mutterpartei SPÖ bisweilen ein angespanntes, da die SJ nicht nur ihre programmatische – wie etwa die deutschen Jusos im Verhältnis zur SPD –, sondern auch immer ihre organisatorische Eigenständigkeit verteidigte und diese auch bis heute ausübt. Dies führte dazu, dass heute als Gegenstruktur zur allzu eigenständigen SJ auch ein eigenes Parteireferat der SPÖ mit dem Namen „Junge Generation“ (JG) besteht, das 1952 als „Jungwählerreferat“ gegründet worden war. War dies zunächst der Versuch, einen Übergang, eine altersstrukturelle Brücke zwischen der SJ und der SPÖ herzustellen, so wurde die JG mehr oder minder zur parteihörigen Parallelstruktur zur SJ, wenngleich das obere Alterslimit für die SJ 35 Jahre beträgt, während jedes Mitglied der SPÖ, das bis zu 38 Jahre alt ist, automatisch Mitglied der JG ist.

Die Eigenständigkeit der SJ gegenüber der SPÖ – sowohl in organisatorischer als auch politischer Hinsicht – äußerte sich auch 1991, als der Schritt der SPÖ, die sich damals von „Sozialistische Partei“ in „Sozialdemokratische Partei“ umbenannte, sehr bewusst nicht nachvollzogen wurde und von der überwältigenden Mehrheit der SJ-Mitglieder auch bis heute konsequent abgelehnt wird.

Geschichte

Anfänge

Die Geschichte der Sozialistischen Jugend geht bis in das Jahr 1894 zurück. Am 4. November 1894 wurde in Wien-Margareten der „Verein jugendlicher Arbeiter“ gegründet. Dieser Verein ging damals aus der Fusion der beiden im Vorjahr gegründeten Wiener Jugendgruppen „Jugendbund“ und „Bücherskorpion“ hervor. Es dauerte dann bis 1901, dass in Graz ein zweiter „Verein jugendlicher Arbeiter“ gegründet wurde. Im Folgejahr wurde dann erstmals ein landesweiter Verband der Arbeiterjugendvereine gegründet, der „Verband jugendlicher Arbeiter Österreichs“. Bis zum Ersten Weltkrieg wuchs er auf rund 16.000 Mitglieder an, ab 1912 konnten auch Mädchen und junge Frauen offizielle Mitglieder werden.

Nach dem Weltkrieg, den der Verein jugendlicher Arbeiter übrigens im Gegensatz zur Sozialdemokratischen Partei vehement bekämpft hatte, und der Abschaffung der Monarchie wurde der „Verband jugendlicher Arbeiter“ umbenannt in Sozialistische Arbeiter-Jugend (SAJ). In den Jahren der Ersten Republik belief sich der Mitgliederhöchststand auf etwa 38.000 (1923). Höhepunkt der Tätigkeit der SAJ war im Jahre 1929 das Internationale Arbeiterjugendtreffen in Wien mit 50.000 Teilnehmern.

Verbot zwischen 1934 und 1945

Als nach den Februarkämpfen 1934 die austrofaschistische Diktatur errichtet wurde, wurde auch die SAJ ebenso wie alle anderen Organisationen der Arbeiterbewegung verboten. Als „Revolutionäre Sozialistische Jugend“ (RSJ, gegründet am 19. Februar 1934) setzte sie im Untergrund den antifaschistischen Kampf bis 1938 fort. In dieser Zeit hatte auch die RSJ wie bereits zuvor in den Februarkämpfen 1934 eine Reihe von Opfern zu beklagen, so etwa im Juli 1934, als zunächst eine Gedenkveranstaltung von bewaffneten Gendarmen überfallen wurde, und wenig später, als es zur Hinrichtung des jungen SAJ-Mitgliedes Josef Gerl kam, der das Opfer der austrofaschistischen Justiz und des neuen „Sprengstoffgesetzes“ wurde, das eigentlich gegen die damals ebenfalls illegalen österreichischen Nazis angewandt werden sollte.

Neubeginn in der Nachkriegszeit

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Organisation unter ihrem heutigen Namen als „Sozialistische Jugend Österreich“ (SJ) neu konstituiert, vom 7. bis zum 9. Dezember 1946 fand der erste Verbandstag (Bundeskonferenz) statt. Erster Vorsitzender der SJ wurde damals Peter Strasser, der diese Funktion bis 1954 innehaben sollte.

Grundstein zur Neugründung der Organisation war eine Kundgebung von rund 1000 Jugendlichen im Wiener Gemeindebezirk Brigittenau. Zu diesem Zeitpunkt war die Zustimmung der Alliierten notwendig. Da die Kundgebung nicht untersagt worden war, sah man dies als Einverständnis der Besatzungsmächte. Trotzdem waren Funktionäre in anderen Bundesländern öfter dazu verpflichtet, den lokalen Militärkommandanten Bericht zu erstatten.

Am ersten Jugendverbandstag gab es Übernahmeversuche seitens der kommunistischen Freien Österreichischen Jugend, die von der SJ innerhalb kurzer Zeit aufgehalten werden konnten. In den Folgejahren bis zur Unterzeichnung des Staatsvertrags kam es mehrmals zu Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Sozialisten.

1948 wurde die Verbandszeitung Trotzdem gegründet. Als Vorgänger galt die Stimme der Jugend, welche unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs erstmals erschien. Diese wurde allerdings nach mehreren Verwarnungen von den sowjetischen Besatzungsmächten verboten.

Das Thema Mitbestimmung stand in den 1950er Jahren programmatisch im Vordergrund. 1952 beschloss man ein Sozialprogramm für die arbeitende Jugend, sechs Jahre später einigte man sich auf die Aktion Lasst die Jugend mitgestalten. Damals wurde die Anerkennung der Jugend in der Gesellschaft gefordert. Ein weiteres Kernthema war die Neutralität Österreichs sowie die Landesverteidigung. In diesem Bereich stimmte man mit der SPÖ in vielen Punkten überein. Die Forderung nach einer maximalen Dienstzeit im Bundesheer von vier Monaten konnte zwar nicht durchgesetzt werden, allerdings handelte die SPÖ mit der Österreichischen Volkspartei einen ähnlichen Gesetzesentwurf aus. Dieser sah eine maximale Dienstzeit von sechs Monaten vor.

Entpolitisierung

Der 5. Verbandstag brachte einen Generationswechsel mit sich. Peter Strasser, Gründer und letztes Mitglied des ersten Verbandsvorstandes, wurde von Heinz Nittel als Vorsitzender abgelöst. In den darauffolgenden Jahren wurde die SJ immer mehr entpolitisiert und die Mitgliederzahlen sanken. Als Gegenmaßnahme entwickelte sich die Aktion Kader: die SJ rekrutierte einen Funktionärkader, um gegen die interne Krise anzukämpfen. Trotz dieser Bemühungen konnte man diese nicht bewältigen. Ausgehend von einem Vorschlag des Mitglieds Fritz Koppe wurde die Schulungsarbeit in der Organisation begonnen.

Im Dezember 1964 fand der zehnte Verbandstag der Sozialistischen Jugend statt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich sowohl die SPÖ (Olah-Affäre) als auch die SJ in der Krise. Nach 10 Jahren an der Spitze der Organisation wurde Heinz Nittel als Vorsitzender der SJ abgewählt. Sein Nachfolger war Peter Schieder, der den Verband aus der Krise führen sollte. Gegen Mitte der 1960er Jahre stieg die Mitgliederzahl wieder an, die zuvor konstant gefallen war. Im März 1965 protestierte man gegen den neofaschistischen Uni-Professor Taras Borodajkewycz. Bei einer Großdemonstration der Österreichischen Widerstandsbewegung, die auch von der SJ unterstützt wurde, kam Ernst Kirchweger als Opfer von gewalttätigen Jungfaschisten ums Leben.

Gegen Ende der 1960er Jahre wurde die Protestbewegungen, an denen die Sozialistische Jugend beteiligt war, immer größer. In dieser Zeit fasste der damals amtierende Vorsitzende Peter Schieder die politische Lage in folgenden Worten zusammen:

„Es geht um politische Forderungen. Der ernste Protest richtet sich gegen das Senile und Fossile, gegen das Erstarrte in der Gesellschaft, gegen die, die sich's gerichtet haben und von nichts Neuem mehr hören wollen, gegen das Establishment. Dadurch gewinnt die Bewegung an Attraktivität bei den denkenden Jugendlichen […] Das wird auf vielen Gebieten und auch in unserer Bewegung seine Auswirkungen haben. Neue Formen werden erprobt, neue Methoden der Aktion gefunden werden müssen.“

Aktionspolitik unter SPÖ-Alleinregierung

In den nächsten Jahren versuchte Schieder, die Sozialistische Jugend mit dem 1956 gegründeten SPÖ-Jugendverband Junge Generation zu vereinen. Dies scheiterte allerdings am internen Widerstand. 1968 näherte sich die SJ dem Verband Sozialistischer Student_innen in Österreich an und nahm eine Mittlerrolle im Konflikt mit der SPÖ ein. Es kam in der Folge zu einem Streit mit dem rechtsgerichteten Flügel der Sozialdemokratischen Partei, darunter der damalige Verteidigungsminister Karl Lütgendorf. Die Sozialistische Jugend versuchte in der Zeit eine Verkürzung des Wehrdienstes auf 6 Monate durchzusetzen, als Kompromiss akzeptierte man eine zusätzliche Waffenübungsdauer von 60 Tagen.

Unter der zwischen 1970 und 1983 stattgefundenen Alleinregierung der Sozialdemokraten unter Bruno Kreisky wurden einige Forderungen der SJ durchgesetzt, so beispielsweise die Einführung des Zivildienstes oder die Reduktion der Arbeitszeit von Jugendlichen auf 40 Wochenstunden.

Unter Johann Hatzl, der 1973 Obmann der Sozialistischen Jugend geworden war, fand 1974 nach langer Zeit wieder ein Fackelzug statt. In einem Aufruf zum Nationalratswahlkampf 1975 war außerdem eine kritische Einschätzung der Sozialdemokraten enthalten, die die SJ von ihrer Mutterpartei distanzieren sollte.

Linkswende mit Ackerl und Cap

Da Hatzl 1976 nach der Zusammenstellung des dritten Kabinetts Kreisky in den Nationalrat eingezogen war, fand an der Organisationsspitze wieder ein Wechsel statt, neuer Vorsitzender wurde Josef Ackerl. Mit den damaligen Verbandssekretären Josef Cap und Reinhard Todt wurde eine radikale Linkswende vollzogen und eine Brücke zum Marxismus geschlagen.

„Die SJÖ muss darauf hinarbeiten, dass für die Arbeiterbewegung das kapitalistische System wieder klarer als Konfliktquelle erkennbar ist, um dann alle Möglichkeiten ausschöpfen zu können, den Prozess zur Errichtung der Sozialistischen Gesellschaftsordnung voranzutreiben.“

Auszug aus der Grundsatzerklärung 1976

Als selbsternannte „linkssozialistische Kraft“ bestritt man 1978 wieder einen Verbandstag, auf dem es erneut einen Wechsel an der Spitze geben sollte: Josef Cap löste Josef Ackerl als Vorsitzenden ab. Dieser richtete die Partei noch weiter in das linke politische Spektrum. Zentrale Themen zu dieser Zeit waren Arbeitszeitverkürzung, die Friedensfrage und die Positionierung gegenüber der Errichtung des Kernkraftwerk Zwentendorf. Obwohl sich die SJÖ klar gegen das Atomkraftwerk aussprach, führte der Vorsitzende der niederösterreichischen SJ, Karl Schlögl, einen klaren Pro-Zwentendorf-Kurs. Das Ergebnis der Volksabstimmung über die Inbetriebnahme fiel sehr knapp aus, mit 50,5 % konnten sich die AKW-Gegner aber durchsetzen.

1982 wurde innerhalb der SJ nach dem Kontakt mit der britischen Militant Tendency die trotzkistische Gruppe Vorwärts (heute Sozialistische Linkspartei (SLP)) gegründet. Nachdem 1991 bis 1992 viele Vorwärts-Mitglieder ausgeschlossen wurden, beschloss die Gruppe, den Entrismus in der SJ und SPÖ zu beenden. Dabei folgte sie auch dem Vorbild der Militant Tendency, die den Entrismus ebenfalls einstellte. Einige Mitglieder wollten jedoch weiterhin Entrismus betreiben und spalteten sich ab und gründeten die Zeitschrift Der Funke, die auch innerhalb der SPÖ entstand. Später trat Der Funke in die Internationale Marxistische Tendenz (IMT) ein. Der größere und wesentlich einflussreichere Flügel in der SJ bestand aus den Personen, die sich auf den Austromarxismus beriefen.

Auch neben dieser grundsätzlichen Ausrichtungsfrage positioniert sich die SJ in konkreten Fragen zumeist links von der Mutterpartei. Das bedeutet, dass nicht nur die meisten reformerischen Forderungen der SPÖ seitens der SJ radikaler formuliert werden, sondern dass mitunter SPÖ-Vorschläge und die SPÖ-Politik scharf kritisiert und auch direkt abgelehnt werden. Dies war zum Beispiel 1978 so, als der damalige SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky das Kernkraftwerk Zwentendorf in Betrieb nehmen wollte, was durch eine Volksabstimmung verhindert wurde. Als 1994 in Österreich unter dem SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky über den Beitritt zur EU abgestimmt wurde, stand die SJ diesem Beitritt äußerst kritisch gegenüber, von großen Teilen (zum Beispiel der Landesorganisation Niederösterreich) wurde der EU-Beitritt abgelehnt. Auch in anderen Fragen stellt sich die SJÖ weit radikaler als die Mutterpartei, so fordert die SJ zum Beispiel die Abschaffung des österreichischen Bundesheeres und die Legalisierung weicher Drogen (Cannabis).

Erneuter Linksruck mit Andreas Kollross

Unter der Führung von Andreas Kollross ging es mit der SJÖ nach langer Zeit wieder bergauf. Dutzende Neugründungen von Orts- und Bezirksgruppen in fast allen Bundesländern und die stärkere Politisierung der Organisation zeugten vom weiteren Erstarken der Sozialistischen Jugend. Am Verbandstag 2004 wurde schließlich ein neues Grundsatzprogramm beschlossen, das sich erstmals wieder ausdrücklich auf den Wissenschaftlichen Sozialismus berief und klar antikapitalistisch und feministisch ausgerichtet war.[9]

Dvorak wird Vorsitzender und Grundsatzprogramm wird beschlossen

Nach vier Jahren löste Ludwig Dvorak Andreas Kollross 2004 als Vorsitzender ab. Er wurde am Verbandstag von 81,6 Prozent der rund 200 Delegierten gewählt.[10] Unter Ludwig Dvorak bekannte sich die SJ zu antikapitalistischer, antimilitaristischer, antifaschistischer, internationalistischer und antisexistischer Politik. Im Jänner 2005 präsentierte die Sozialistische Jugend die Kampagne unter dem Titel „Den Rechten die Zähne zeigen“. Angelehnt an die Kampagne, hielt die SJ jährlich den „Antifa Monat“ ab, der mit dem Antifa Seminar und der Befreiungsfeier seinen Abschluss fand.[9]

Torsten Engelage übernimmt Vorsitz für ein Jahr

Torsten Engelage wurde im September 2006 neuer Vorsitzender der SJ und löste Ludwig Dvorak ab. Die Wiedererlangung der organisatorischen Stärke sollte für die nächsten zwei Jahre im Vordergrund stehen. Zudem rückte Anti-Sexistische Arbeit in den Vordergrund der Organisation. Bei der Nationalratswahl 2006 am 1. Oktober 2006 führte der ehemalige SJ-Vorsitzende Alfred Gusenbauer die Sozialdemokratie als Spitzenkandidat zum Wahlsieg. Die SJ warb offensiv für eine Minderheitsregierung statt für eine Koalition mit der ÖVP und warnte vor einer großen Koalition ohne sozialdemokratische Handschrift.[11]

Nach dem Abschluss des Koalitionsvertrages zwischen SPÖ und ÖVP im Jänner 2007 kam es zu massivem Widerstand seitens der SJ gegen die Parteiführung, da eine sozialdemokratische Handschrift in diesem Regierungspapier vermisst wurde. Daraufhin wurde unter anderem die Bundesparteizentrale der SPÖ in der Löwelstraße kurzzeitig besetzt. Nach nur einem Jahr als Vorsitzender legte Torsten Engelage seinen Vorsitz in der SJ zurück und Wolfgang Moitzi, Vorsitzender der SJ Steiermark, rückte ihm nach.[9][12]

Wolfgang Moitzi vereint den Verband

Wolfgang Moitzi gelang es in der interimistischen Vorsitzzeit, den Verband wieder zu einen. Er wurde im Oktober 2007 am 32. ordentlichen Verbandstag der SJ in Linz mit 90,52 Prozent als Vorsitzender gewählt. Weiters wurde an diesem Verbandstag eine 50-Prozent-Frauenquote für den Verbandsvorstand beschlossen und ab dann eingehalten. Die SJ präsentierte sich damit auch innerhalb der Sozialdemokratie als Vorkämpferin für feministische Politik und ist nach wie vor eine Verteidigerin der Frauenquote, deren Existenz und Einhaltung in der SPÖ oft ignoriert wird.[13]

Mit der Initiative „Reiche müssen zahlen“ setzte die SJ nach der Weltwirtschaftskrise einen Schwerpunkt auf die Forderung nach Vermögenssteuern und versuchte, sowohl Bündnispartner zu suchen als auch innerparteilichen Druck zu erzeugen. Trotz anfänglicher Ablehnung der Bundespartei konnte die SJ einen innerparteilichen Kurswechsel am Bundesparteitag 2010 erzielen, wo auf Antrag der SJ die Wiedereinführung von Vermögenssteuern beschlossen wurde.[9]

Fokus auf internationale Arbeit und IUSY World Festival

Ab 2008 legte die SJ wieder einen Schwerpunkt auf die internationale Arbeit. Im Juli 2011 wurde erstmals nach Jahrzehnten wieder ein IUSY World Festival in Österreich abgehalten.[14] Rund 3.000 Teilnehmer aus der ganzen Welt trafen sich dabei im Europacamp der SJ, um sich über ihre politische Arbeit auszutauschen. Wenige Tage vor Beginn des Festivals fanden die rechtsextremen Anschläge auf das Feriencamp der norwegischen Schwesterorganisation AUF statt. Trotz dieses terroristischen Aktes wurde das IUSY Festival ein Erfolg und konnte durch große mediale Präsenz unter dem Motto „We are all AUF activists“ ein Zeichen des Erinnerns setzen. Durch dieses internationale Festival konnte die internationale Arbeit wieder verstärkt ins Bewusstsein der Organisation rücken. Dieser neue Zugang zur internationalen Arbeit zeigte sich auch daran, dass die SJ mit Sebastian Schublach, Boris Ginner und Sandra Breiteneder beziehungsweise mit Anna Bruckner und Naomi Dutzi seit 2010 in den Präsidien der europäischen und internationalen Dachverbände YES (früher ECOSY) und IUSY vertreten war. Gemeinsam mit anderen europäischen Schwesterorganisationen gelang es in den Jahren 2012/13 außerdem, mit der „RISE UP“-Kampagne die erste internationale Kampagne in der Geschichte der SJ auf die Beine zu stellen.[9]

Bundesparteitag 2012 und Volksbefragung zur Wehrpflicht

Neben demokratischeren, partizipativeren Strukturen forderte die SJ am Bundesparteitag der SPÖ 2012 ein neues Parteiprogramm. Trotz Widerstandes durch die Parteispitze wurden diese Forderungen am Parteitag angenommen und entsprechende Arbeitsgruppen installiert. Seit 2012 kämpft die SJ für die Umsetzung dieser Reformen. Am Bundesparteitag 2014 wurde ein Antrag beschlossen, dass erstmals alle Parteimitglieder über das neue Parteiprogramm abstimmen können, verpflichtende Themenräte eingeführt und Urabstimmungen erleichtert werden.

Bei der ersten bundesweiten Volksbefragung in der Geschichte Österreichs zur Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht vollbrachte die SPÖ eine 180-Grad-Wende und wurde zur Proponentin eines Berufsheeres. Die SJ blieb in dieser Diskussion ihrer Linie treu und setzte sich für die mittelfristige Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht ein und für die langfristige gänzliche Abschaffung des Bundesheeres.[9]

Widerstand gegen Fortsetzung der Koalition zwischen SPÖ und ÖVP

Mit einer eigenen Kampagne namens „GEHT’S NET, GIBT’S NET“ war die SJ auch im Nationalratswahlkampf 2013 aktiv. Ein Schwerpunkt dabei lag auf dem Thema leistbares Wohnen, das die SJ über Monate kampagnisierte. Dabei wurde ein ur-sozialdemokratisches Thema wieder aufgegriffen und in die öffentliche Debatte gerückt. Durch wachsenden Druck sah sich die SPÖ einmal mehr gezwungen weite Teile der SJ-Forderungen zu übernehmen. Das Ergebnis der Nationalratswahl war mit einem starken Aufschwung rechtspopulistischer Kräfte eine herbe Enttäuschung. Auch der versuchte Einzug von Wolfgang Moitzi über ein Grundmandat in der Obersteiermark gelang, trotz über 5000 Vorzugsstimmen, knapp nicht.[15] Die SJ positionierte sich klar gegen eine Weiterführung der „GroKo“ und warb für eine Urabstimmung über das Koalitionspapier in der SPÖ. In den ersten Monaten der neuen Regierung Faymann II konnte sich die SJ in der Folge als klare Kraft für ein Ende der Großen Koalition und einen Politikwechsel profilieren.[9]

Julia Herr wird erste weibliche Vorsitzende

Der Verbandstag am 4. Mai 2014 in Graz war geprägt von der ersten Doppelkandidatur seit langem. Mit Fiona Kaiser, die im Wesentlichen von Niederösterreich, Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg unterstützt wurde, und Julia Herr, die Kandidatin der Landesorganisationen Burgenland, Wien, Steiermark und Salzburg war, bewarben sich zwei Frauen um den Verbandsvorsitz. Das führte im Vorfeld des Verbandstages zu einer monatelangen breiten Diskussion über neue Organisationsformen und demokratischere Strukturen innerhalb der SJ. Das Festhalten am Grundsatzprogramm und an der marxistischen Ausrichtung der Organisation war im Programm beider Kandidatinnen zu finden und wurde beschlossen. Julia Herr wurde schließlich mit 54 % zur ersten weiblichen Vorsitzenden in der Geschichte der Sozialistischen Jugend Österreich gewählt.[9][16]

Zur Jahresmitte 2014 gelang es der SJ, mit dem Relaunch der Kampagne „Lieber bekifft ficken als besoffen fahren“ das Thema der Legalisierung von Cannabis wieder zu einer breiten öffentlichen Diskussion zu machen. Andere Parteien – wie die Grünen und die NEOS – sprangen im Zuge der Debatte auf die SJ-Forderung auf und eine Petition an den Nationalrat erreichte rund 30.000 Unterschriften.[9][17]

Mitgliedschaften

Auf nationaler Ebene ist die Sozialistische Jugend Mitglied der Österreichischen Bundesjugendvertretung (1953 noch als „Bundesjugendring“ gegründet), in der 40 demokratische Kinder- und Jugendverbände Mitglieder sind. Darüber hinaus ist die Sozialistische Jugend in einigen Bündnissen, wie der Offensive gegen Rechts.

Auf internationaler Ebene ist die SJ Mitglied der Sozialistischen Jugendinternationale International Union of Socialist Youth (IUSY) sowie der Young European Socialists (kurz: YES; früher: ECOSY). In beiden Organisationen ist sie mit jeweils einem Mitglied im Präsidium vertreten.[18][19]

Vorsitzende

Literatur

  • Peter Pelinka: 90 Jahre SJÖ 1894–1984 – Die Geschichte der Sozialistischen Jugend. Mit einem Vorwort von Alfred Gusenbauer. Sozialistische Jugend Österreich, Wien 1984.

Einzelnachweise

  1. Sozialistische Jugend Österreich. Abgerufen am 24. Februar 2020.
  2. Manfred Bauer, Marko Miloradovic, Philipp Lindner, Julia Herr, Sebastian Pay: 120 Jahre Sozialistische Jugend. Hrsg.: Sozialistische Jugend Österreich. S. 3.
  3. Sozialistische Jugend Österreich. Abgerufen am 23. September 2020.
  4. 1 2 3 4 Sozialistische Jugend Österreich. Abgerufen am 27. Dezember 2019.
  5. "Deshalb sind wir FeministInnen!" In: Der Standard. 30. November 2008, abgerufen am 9. März 2020.
  6. Frauenpolitik. In: Grundsatzprogramm. Sozialistische Jugend Österreich, 30. Oktober 2004, abgerufen am 9. März 2020.
  7. Member Organisations. In: International Union Of Socialist Youth. Abgerufen am 27. Dezember 2019 (britisches Englisch).
  8. MEMBERS. In: yes. Abgerufen am 27. Dezember 2019 (amerikanisches Englisch).
  9. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 125 Jahre Sozialistische Jugend Österreich. Abgerufen am 28. November 2020 (deutsch).
  10. Neuer Vorsitzender für die Sozialistische Jugend – derStandard.at. Abgerufen am 28. November 2020 (österreichisches Deutsch).
  11. Die Kurve gekratzt. Abgerufen am 28. November 2020.
  12. Steirer Wolfgang Moitzi ist neuer SJ-Chef. 2. November 2011, abgerufen am 28. November 2020.
  13. mbachner,karin.leitner: Frauenquote bleibt ein "Dilemma". 25. August 2014, abgerufen am 28. November 2020.
  14. Europacamp am Attersee. Abgerufen am 28. November 2020.
  15. Prominente "Opfer" bei der SPÖ. 30. September 2013, abgerufen am 28. November 2020.
  16. Julia Herr neue Vorsitzende der Sozialistischen Jugend – derStandard.at. Abgerufen am 28. November 2020 (österreichisches Deutsch).
  17. SJÖ: Diese Kampagne ist allen SpießerInnen und HeuchlerInnen gewidmet! Abgerufen am 28. November 2020.
  18. Vorstellung des Präsidiums auf der Seite der IUSY
  19. Verbandsvorstand der SJÖ
  20. Theo Anders: Paul Stich, Fan von Grün-Weiß, ist der neue Chef der roten Jugend. In: DerStandard.at. 22. Februar 2020, abgerufen am 25. Februar 2020.