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Schneeflucht - Fratzungs und Wildheurecht#

Schnee ist im Juli auf den Hochalmen nichts Seltenes.
Schnee ist im Juli auf den Hochalmen nichts Seltenes.

Jeder Bergwanderer weiß, daß auf höhergelegenen Almen auch mitten im Sommer Schnee fallen kann, der kürzere oder auch lange Zeit den Boden bedeckt. Ein Beweiden dieser verschneiten Flächen ist unmöglich, die Tiere magern rasch ab, trächtige Tiere verwerfen nicht selten, und es können sich auch alle möglichen Krankheiten einstellen.

Schlimm sind zur Zeit solcher Schneefälle jene Alpen daran, auf denen es keine Hütten und nicht genügend Futtervorräte gibt. Hier setzt aber das alte Recht der „Schneeflucht" ein. Darunter versteht man die Notwendigkeit, gegebenenfalls niedriger gelegene Gebiete aufzusuchen und beweiden zu dürfen. In vielen Teilen Westösterreichs und der angrenzenden Schweiz gibt es dieses Recht schon seit Jahrhunderten. Natürlich bietet es wenig Nutzen, wenn es nahezu bis ins Tal herabgeschneit hat oder die für die Schneeflucht bestimmten Plätze bereits abgeweidet sind.

Welche Bewandtnis hat es nun mit dem Fratzungsrecht für Ziegen? Unter Fratzungsrecht (auch Atzungsrecht) versteht man die Berechtigung, zu gewissen Zeiten Alpen- oder Talweidegründe, gleichgültig, in wessen Eigentum sie stehen, vorübergehend beweiden zu dürfen. Dieses Recht, das zweifellos ein Überbleibsel der freien Weidewirtschaft vergangener Jahrhunderte ist, führte seinerzeit oft zu Streitigkeiten mit den Almbesitzern. Meist war dieses Nutzungsrecht ein sogenanntes „Geißrecht", das eben nur für Ziegen galt und dem Besitzer der Ziegenherde für wenige Tage das Recht einräumte, auf bestimmten Plätzen mit seiner Ziegenherde durchzuziehen.

Das sogenannte „Wildheurecht" hatte nichts mit der Heugewinnung für das jagdbare Wild zu tun, sondern unter einem „Wildheuplatz" verstand man ein Almgebiet, auf dem die Nutzung nicht durch Weidevieh erfolgte, sondern das Gras gemäht und das Heu als Winterfutter entweder bis ins Tal oder meist zur Notheulagerung (Schneefälle) zur nächsten Alm gebracht wurde. Dieses „Bergheuen" mußte manchmal auf extrem hochgelegenen und schwer zugänglichen Plätzen stattfinden, und diese Stellen waren oft so steil und der Futterbedarf so groß, daß sogar das Leben der Mäher oder Bergheuer gefährdet war. Diese Leute waren mit besonderen Steigeisen ausgerüstet und mußten an sehr steilen Stellen oft angebunden werden.

Viele Osttiroler Almen können noch immer nur mittels schwerster Handarbeit bewirtschaftet werden.
Viele Osttiroler Almen können noch immer nur mittels schwerster Handarbeit bewirtschaftet werden.

Das gefahrvolle Arbeiten der Wildheuer bringt Schiller im „Wilhelm Teil" zum Ausdruck, wenn er die den Landvogt Geßler kniefällig bittende Armgard auf die Frage, wer ihr Mann sei, sprechen läßt:

„Ein armer Wildheuer, guter Herr, vom Rigiberge, 

Der überm Abgrund weg das freie Gras 

Abmähet von den schroffen Felsenwänden, 

Wohin das Vieh sich nicht getraut zu steigen -",

worauf Geßlers Stallmeister, Rudolf der Harras, den gefährlichen Beruf dieser Art von Heugewinnung Geßler gegenüber besonders betont, wenn er spricht:

„Bei Gott, ein elend und erbärmlich Leben!

Ich bitt' Euch, gebt ihn los, den armen Mann, 

Was er auch Schweres mag verschuldet haben, 

Strafe genug ist sein entsetzlich Handwerk."

Man sieht also aus diesen Zeilen Schillers, als wie gefährlich diese Tätigkeit seinerzeit - wohl zu Recht -angesehen wurde.




Bilder und Text stammen aus dem Buch: "Die schönsten Almen Österreichs: Brauchtum & Natur - Erwandert und erlebt", H. und W. Senft, Leopold Stocker Verlag, 2009.