Senner oder Sennerin?#
Der Beruf eines Hirten oder einer Sennerin wird seit eh und je als ein zwar schwerer, aber auch besonders schöner Beruf gewertet. Natürlich sind die Menschen auf der Alm den Unbilden der Natur am meisten ausgesetzt, aber sie sind wohl auch deren Schönheit am nächsten. Trotz recht guter Entlohnung finden sich wohl deswegen heute nur wenige Menschen für diesen Beruf bereit, weil der Älpler die technische Zivilisation am meisten entbehren muß.
Hab 'm s' schiachi Küa,
Weil s'allweil aufd'Buama schaun
Und auf d'Küa nia."
Die Geschlechterverteilung des Almpersonals zeigt traditionell einen deutlichen Gegensatz zwischen Tirol und Vorarlberg auf der einen und den übrigen Bundesländern auf der anderen Seite. In Tirol und Vorarlberg ist der Senner, also die männliche Arbeitskraft, auf den Almen tätig, in den anderen Bundesländern sind es die Sennerinnen. - Diese Situation ist historisch begründet. Am Beginn des 18. Jahrhunderts war nämlich das Geschlechterverhältnis auch in Tirol und Vorarlberg ausgeglichen bzw. waren die Sennerinnen in der Überzahl. Später verschwanden jedoch auf Drängen der katholischen Volksmissionare die weiblichen Arbeitskräfte auf den Almen Tirols und Vorarlbergs weitgehend! Es gibt jedoch auch noch eine andere Begründung: Seit Einführung der Schweizerkäseerzeugung in Vorarlberg - vor etwa 140 Jahren - mußte wegen des Gewichtes der Käselaibe das weibliche Alppersonal durch männliches ersetzt werden.
Die Kosten für das Almpersonal sind in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegen: 1960 mußte ein Landwirt l .020 Liter Milch verkaufen, um einen Melker bezahlen zu können, 1990 waren es 4.300 Liter, und im Jahre 2000 mußten 5.500 Liter aufgewendet werden.
Früher wäre es kaum denkbar gewesen, daß Bäuerin und Bauer auf die Alm gehen; das waren immer andere Familienmitglieder oder Angestellte. Seinerzeit arbeiteten auch drei- bis viermal soviel Leute auf einer Alm wie heute.
Nun sind es oft die Altbauern, welche diese wichtige Tätigkeit übernehmen. Aber auch Rentner, Pensionisten und „Aussteiger auf Zeit", die vom Stadtleben genug haben, findet man auf den Almen. - Bei den Recherchen für das vorliegende Buch in den letzten drei Jahren haben die Autoren unter anderem arbeitslose Mittelschulprofessoren, Studenten, einen pensionierten Metzger, sich dem „einfachen Leben" verpflichtet fühlende Lehrer, eine Bar-Serviererin, die die Nase vom ungesunden Leben und Nachtdienst voll hatte, sowie einen Schriftsteller und freien Mitarbeiter des ORF als tüchtige Sennerinnen und Senner angetroffen - um nur einige aufzuzählen. An sich allerdings lauter Leute, die von Kindesbeinen an mit der Viehwirtschaft vertraut sind. In der Schweiz gibt es aber im Kanton Graubünden eine Landwirtschaftsschule, wo sich „Aussteiger" für die Alm-Sennerei ausbilden lassen können. In den letzten Jahren waren es je 48 Personen, und, wie man hört, die Hälfte davon sind Akademiker; nicht wenige kommen aus dem süddeutschen Raum.
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Bilder und Text stammen aus dem Buch: "Die schönsten Almen Österreichs: Brauchtum & Natur - Erwandert und erlebt", H. und W. Senft, Leopold Stocker Verlag, 2009.