Trempel, Tret und Scherm#
Als Unterkünfte für Mensch und Vieh finden wir heute auf unseren Almen oft noch sehr urtümliche, deshalb aber auch um so anheimelnder wirkende Bauten. Sie geben uns meist direkt Aufschluß über manche Fragen der Hausbauforschung, denn zweifellos weisen Bauform und Bauart auf jene Zeiten zurück, in denen unsere Vorfahren auch in den Talniederungen ihre Gebäude errichteten. Noch weiter als der Baubestand weisen aber die mundartlichen Bezeichnungen in die Vergangenheit zurück. So heißt im oberen Ennstal der Stall auf der Alm häufig „Scherm", also Schirm. Dies weist wohl auf ein lediglich schützendes Dach hin. Auch in der Schweiz verwendet man für geschlossene Stallbauten, aber auch für nur wandlose Schutzdächer den Begriff „Scherm".
Der Scherm bezeichnet im obersten Ennstal dasselbe wie tret. In Saalbach im Pinzgau, in Tux, in Defereggen und in Teilen der Schweiz scheint das Wort in gleicher Bedeutung auf. Aus den mundartlichen Belegen und aus mhd. scherm, ahd. skerm (Schutzwehr, Schild) läßt sich ein ursprünglicher Wortsinn „einfaches Schutzdach aus Flechtwerk oder Fellen" erschließen.
Im Ausseerland heißt der offene Herd, auf dem das Feuer brennt, in Almhütten noch immer häufig „der Fuaßbrand", obwohl er schon auf einem erhöhten Steinsockel ruht; dies verweist wohl auf jene Zeit, als das Feuer noch direkt am Boden angefacht wurde.
Der Tret bezeichnet im Pongau und im Gebiet von Abtenau (Tennengau) den freistehenden oder eng mit der Almhütte verbundenen Stall. Das Wort greift in der letzten Bedeutung auch auf das oberste steirische Ennstal über. Es gehört zum Zeitwort ahd. tretan, mhd. treten, nhd. treten oder steht im Ablaut zu ahd. trata (Brachfeld), die im Gebiet von Obdach, im Koralpengebiet und in Teilen Kärntens den Platz zwischen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, in Oberösterreich ohne Salzkammergut und im westlichsten Niederösterreich das „Brachfeld" bezeichnet. - Im Zillertal ist tret, im unteren Tiroler Inntal tred der Grasplatz bei der Almhütte, in Tux bedeutet das Wort „Grasplatz vor dem Hause". Älteste Bedeutung ist demnach also „Auslauf".
Der Trempel findet sich in der Bedeutung „freistehender Almstall" im Ennstal, ferner in der Gosau und in Bad Goisern in Oberösterreich. In Radstadt, Pongau, bedeutet das Wort „Stall", im Brixental in Nordosttirol „Viehstall abseits vom Haus". Trempel ist vielleicht vom Zeitwort trampeln abgeleitet, das aber erst später bezeugt und von Norden eingedrungen ist. Die Bezeichnung ist daher möglicherweise jung. Grundbedeutung wäre dieselbe wie bei tret.
Das Kühedach, mdal. khiada, findet sich im Ausseerland und im südlichen oberösterreichischen Salzkammergut. Dieser Stall ist an die Almhütte an- oder in sie hineingebaut.
Der Pfärrech und pfarach (oberstes Murgebiet westlich von Murau mit Ramingstein, Krakau, Gebiet um St. Lambrecht) erscheint auch im mittleren steirischen Ennstal als pfara, dort aber für „eingezäunte Wiese vor der Almhütte". Im Kärntner Nockgebiet tritt die Variante pfarf „Stall der Zuhube (Lehen)" auf. - Das Wort ist herzuleiten aus mhd. pfärrich, ahd. pfarrih (Einfriedung), spätlat.parricus (Gehege, Pferch, 8. Jahrhundert, Ribuarisches Gesetz). Die Wortwurzel ist wohl iberisch.
Innfänge, Gleckgartl und Pfader#
Neben den Hütten gab es eingefriedete „Innfänge" oder „Gleckgartln". Meist aber war das Weidegebiet in der Umgebung der Hütten nicht eingezäunt; gelegentlich bildete nur ein Steinwall aus Findlingen die Grenze zwischen zwei Almen. Natürlich befanden sich bei gefährlichen Felslöchern (Dohnen) Abgrenzungen aus Steinen oder Stangen, und in der Umgebung des Sandlings im Ausseer Land gab es salzhaltige Quellen, die vor allem wegen der Schafe mit einem Zaun unzugänglich gemacht werden mußten, um die Tiere vor übermäßig schädlichem Salzgenuß zu bewahren.
Im Kalkgebirge spielt die Wasserversorgung der Almen die allergrößte Rolle; so wurden dort besonders auch die sogenannten „Schneelöcher" (Stellen, an denen der im Winter eingewehte Schnee sich bis in den Hochsommer hinein hielt) genau registriert und an die Almberechtigten streng aufgeteilt. Bei jedem Loch stand ein sogenannter „Pfader", das war eine Art Schneeschmelzbühne, unter der sich zum Auffangen des Wassers ein Holztrog befand. Oft wurde auch das Regenwasser in zisternenartigen „Wasserstuben" gesammelt.
Von der Lahn unbeschädigt verschoben#
Als Hüttenbauplatz wählte man eine möglichst lawinensichere Stelle, die auch nicht gerade am besten Weidegrund lag, um die Weidefläche möglichst wenig zu verringern. Beim Hüttenneubau konnte man immer mit Nachbarschaftshilfe rechnen; eigene Handwerker wurden, mit Ausnahme der Zimmerleute, hiefür früher kaum eingesetzt.
Die meisten Hütten wurden in Rundholz-Blockbauweise errichtet. Die ersten vier Stämme, der „Fuaßkranz" aus Lärchenholz, wurde möglichst waagrecht auf vier Ecksteine ausgelegt, und die Pfosten wurden aus Rundholzlagen hochgezogen, wobei an den Ecken Kammverbindungen mit vorstehenden Köpfen hergestellt wurden. Untereinander wurden die Stämme häufig mit Holzdübeln verbunden. Die Fugen zwischen den Stämmen wurden mit Moos abgedichtet, und für die Türöffnungen setzte man senkrechte Türpfosten mit Versatzzapfen ein. Die folgenden Rundhölzer hat man dann meist in eine Keilnut des Türpfostens eingelegt. Als Lichtöffnungen wurden in geeigneter Höhe die Fensterluken ausgeschnitten.
In der Regel wurden Almhütten immer sehr stabil gebaut; es gibt Berichte, nach denen Hütten nach Lawinen und Murenabgängen fast unbeschädigt über viele Meter verschoben wurden und einfach zu neuen Hüttenplätzen gezogen werden konnten.
Das Holzschindeldach#
Uns Besuchern der Almen fallen aber besonders die Bedachungen auf, und es gibt eigentlich nichts Schöneres und Harmonischeres als das Holzschindeldach. Wird es aus der Lärche hergestellt, dann hat es eine Lebensdauer von bis zu 50 Jahren. Die Schindeln werden dreifach übereinander verlegt und sind pro Stück meist 40 cm lang. Mit einem solchen Dach erspart man sich eine Volldachschalung, und auch die darunterliegende Dachpappe ist nicht notwendig. Für 15 m2 Schindeldach wird allerdings l fm Holz benötigt. Auch die verschiedenen Eternit- und Asphaltschindeldächer sind für unser Auge noch durchaus angenehm, während das leider gar nicht so selten anzutreffende Blechdach zwar relativ billig ist, aber oft gar nicht in die Landschaft passen will. Lediglich bei in den Hang hineingebauten Stallungen, wo das Dach gleichzeitig als Lawinenbahn dient, hat das Blechdach seine selbstverständliche Berechtigung.
Die Arbeitsmethode der „Schindelmacher" hat sich seit Jahrhunderten bis auf den heutigen Tag unverändert erhalten. Sie fällen einen Baum, von dem sie vermuten können, daß er gut spaltbares Holz aufweist. Der brauchbare Stammteil wird entrindet und in Teilstücke zerlegt, die in den „Bretterbock" passen. Mit einem speziellen Stemmeisen, dem „Kietzeisen", werden nun die Holzstücke „übers Brett" gespalten und die bessere Brettseite mit dem Reifmesser „geputzt". Die Bretter (Schindeln) haben eine Länge von 40 cm bis 1,20 m und müssen längere Zeit vor dem Aufdecken getrocknet werden. Hiezu wird der Stapel mit Steinen beschwert, damit sich die Bretter nicht verziehen.
Seinerzeit wurden die Schindeln mit Holznägeln befestigt, sie wurden dann durch die teuren, handgeschmiedeten Eisennägel und schließlich durch die maschinengefertigten Drahtstifte ersetzt. - An vielen Almhütten findet man heute noch hölzerne Dachrinnen, sogenannte „Traufrinnen".
In den großen Alphütten Vorarlbergs und Tirols befindet sich häufig inmitten des Dachraumes ein einbruchsicherer Speicher - aus schweren Holzbalken gezimmert, oft noch mit einer kunstvollen Stangenverriegelung. In ihm hinterließ man früher den Winter über Gerätschaften und Inventar. Da in harten Wintern auch Triebschnee in das Innere der Almhütte gelangen konnte, war der Speicher extra mit Bretterschindeln gedeckt, und so entstand ein „Haus im Haus".
Schwenden und Reuten#
Unter Schwenden (= Schwinden machen) oder Reuten bzw. Roden versteht man speziell auf den Almen die Beseitigung von Pflanzen mit verholzten Stengeln, welche die Weidefläche einschränken, aber auch die Gewinnung nutzbaren Bodens etwa durch Schwenden der Legföhre (Latsche). Dazu kommt das Stockroden, d.h. das Entfernen der nach dem Absägen zurückgebliebenen Baumstrünke samt den Wurzeln. Pflanzen, die früher einmal stark geschwendet wurden, sind der Almrausch, das Heidekraut, die Alpenerle, der Wacholder, die Latschen und auch angeflogene Fichten- und Lärchenbäumchen. Eine ganze Reihe verschiedener Werkzeuge und Gerätschaften wurde hiezu entwickelt, so z.B. der Allgäuer Schwendgerter, die Sensenaxt, der Erlenkarst, die Doppelte Reuthaue, die Kreuzhaue, der Kreuzpickel und der sogenannte Geißfuß.
Stärkere Holzteile entfernte man zuerst oberflächlich mit einer sogenannten Schwendaxt, weniger starke Pflanzen beseitigte man mit einer kräftigen, dazu besonders geeigneten Sense, und hernach kam die sogenannte Reuthaue zur Anwendung, die den Stumpf samt der Wurzel gründlich entfernte. Diese Reuthaue hat Pickel- oder Hackenform. Die geschwendeten Pflanzen ließ man zwecks Trocknen an Ort und Stelle liegen; sie wurden später gesammelt und als Brennholz genutzt. - Auch heute noch sieht man solche Schwendmaßnahmen auf Almen in ganz Österreich.
Im Hochsommer wurde an heißen Tagen das zurückgebliebene Unholz oder Gestrüpp auch durch Feuer entfernt. Das Abbrennen ist aber bezüglich der Aushagerung des Bodens als sehr bedenklich zu bezeichnen.
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Bilder und Text stammen aus dem Buch: "Die schönsten Almen Österreichs: Brauchtum & Natur - Erwandert und erlebt", H. und W. Senft, Leopold Stocker Verlag, 2009.