Notiz 086: Wie feiert man Feste?#
(Irmgard Eixelberger, kantig)#
Von Martin Krusche#
Die Neunzigjährige sagt grinsend: „Männer arbeiten, Frauen basteln.“ Sie weiß es natürlich genauer. Innerhalb ihrer erheblichen Lebensspanne hat sie viele grundlegende Veränderungen des Landes und seiner gesamten Gesellschaft gesehen. Sie neigt in ihrem Denken nicht zur Gefälligkeit. Das drückt auch ihre künstlerische Arbeit aus.
Eixelberger bevorzug Maisstroh, ein Basismaterial aus der agrarischen Welt, ferner Fundstücke aus der Natur. Seit ich sie kenne, hat sie sich stets dagegen verwehrt, die subtil gestalteten Figuren ins Dekorationsfach stellen zu lassen. Das Kantige läßt sich dabei nicht polstern.
Mit ihrer Gestaltungskraft und der versierten Handfertigkeit hätte sie auch gut in die Gegenwartskunst gehen können. Aber ihr Leben war von anderen Zusammenhängen und Aufgabenstellungen bestimmt. So hat sie sich mit vielleicht obsessiver, auf jeden Fall konsequenter Arbeitsweise in einen Zwischenbereich begeben; man könnte auch sagen: zwischen zwei Sesseln gesetzt.
Das wird im regionalen Kulturgeschehen leider nicht angemessen beachtet und honoriert. Einerseits haben ihre Miniaturen bildhauerische Qualitäten, andrerseits sind sie immer inhaltlich stark aufgeladen, nie bloß „nett“ anzusehen. Dazu kommt, daß sich Eixelberger mit unseren traditionellen Bräuchen intensiv befaßt hat.
Brauchtum wurde ja nicht erhalten, um dem nächsten Tourismusbüro Manövriermasse in die Hände zu spielen. Es ist erstens eine Erzählung unserer kulturellen Vergangenheit, ist zweitens Archiv gesellschaftlicher Orientierungssysteme, ist überdies immer auch außersprachlicher Kommentar zur Zeit.
Wo Intellektuelle einen sprachlichen Diskurs entfalten, erschließt Eixelberger Themen auf visueller Ebene und schafft kleine Statements, die im Raum bestehen. Natürlich ist die Kenntnis volkskultureller Zusammenhänge eines ihrer inhaltlichen Fundamente. Ein komplexes Codesystem, von dem vieles nicht verschriftlicht wurde. Das macht eben einen Teil des Wesens von Brauchtum aus. Dieses Außersprachliche. Dort begann auch Eixelbergers Geschichte mit dem Maisstroh.
Vor vielen Jahren fragte sie sich und andere: „Wie feiert man Feste?” Das bezog sich damals gerade auf Weihnachten. Es wurde Anlaß für eine kleine Krippenausstellung. Eixelbergers Passion ist freilich nicht die Beschaulichkeit, sondern das Erhellen von Zusammenhängen.
Genau dieser Aspekt, der hier einleitend angeklungen ist, dieses „Männer arbeiten, Frauen basteln“, hat sich zwar in weiten Bereichen unserer Gesellschaft sehr verändert, ist aber nach wie vor eigenartig normativer Kraft. Da wird eine „Sphäre des Weiblichen“ behauptet, unterstellt, in der alles adrett, lieb, sauber und aufgeräumt sein möge.
Wir wissen, wenn man Frauen mit genug Alltagsarbeit eindeckt, bleibt nicht ausreichend Kraft für störrische Konzepte. Aber wir wissen auch, es bricht sich trotzdem Bahn, was außerhalb der angeblichen „Sphäre des Weiblichen“ stattfinden will. Ich nehme an, Eixelberger ist selbst ein Beispiel dafür.
Adrett und lieb gehört definitiv nicht zu ihrem Repertoire. Daß sie schon sehr lange auf der Welt ist, macht sie zu einer interessanten Auskunftsperson in Fragen der Zustände und Veränderungen. Zustandsänderungen! Ein großes Thema, an dem Kunst generell ansetzt.
In genau solchem Sinn steht sie mit ihrer Arbeit nicht für weichgespülte Optionen zur Verfügung. Zugleich hat Eixelberger keinerlei Laune auf exaltierte Posen. Verfolgt man ihre Arbeit, wird ohnehin klar: das Leben in diesen aufregenden Zeiten ist schrill genug. Da leistet der präzise Blick mehr als die Pose.
Es war für mich daher sehr erfreulich, daß ich in meiner ersten Episode im Einser-Slot des „Zeit.Raum“ diese Figur eines Bildhauers von ihr zeigen kann. Womöglich auch ein Steinmetz. Im europäischen Mythos ist das auf exemplarische Art Daedalus, der Vater des Ikarus. Exzellenter Handwerker und Bildhauer, egomanischer Erfinder, eifersüchtiger Mörder.
Da klingt diese merkwürdige patriarchale Erzählweise an, denn die populäre weibliche Gegenfigur in dieser Geschichte ist Pandora, die Quelle allen Übels der Welt. Eben eine Frau. Der Erschaffer und die Zerstörerin. Aber Moment! Was dabei unter den Tisch fällt: Pandora war keine natürliche Frau, sondern ein handwerklich erzeugtes Geschöpf.
Dieses betörend schöne Übel war von Zeus bei Hephaistos bestellt und vom mythischen Schmied in Gang gesetzt werden. Wozu? Um dem widerspenstigen Prometheus auf dem Umweg über seinen nicht gerade hellen Bruder Epimetheus eine reinzusemmeln. Zeus gegen Prometheus. Das ist großes Kino der europäischen Kulturgeschichte. Also in Summe eine ziemlich wackelige Kerl-Nummer, die im Kern mit Frauen gar nichts zu tun hat.
Daß ich als Leihgabe von Eixelberger auch noch eine Töpferin erhalten habe, ist kein Hinweis auf Bastelkurse im volkskulturellen Kontext. Das Feuer zu beherrschen gehört zu den großen menschlichen Kulturleistungen. Damit ist noch bloß gemeint, man achtet auf den brutzelnden Braten und darauf, daß die Hütte heil bleibt, statt in Flammen unkontrolliert niederzugehen. Das Feuer zu beherrschen meint vor allem: bestimmte Hitzestufen einige Zeit halten zu können.
Diese Kontrolle von Hitzegraden reicht in der Bedeutung vom Brotbacken über das Brennen von Töpferware bis zur Erzeugung von Produkten aus Metall oder Glas. (Und auch zum Bierbrauen.) Sie merken schon, es ist komplex…
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