Notiz 101: Auf der Strecke#
(Ortswechsel und Gespräche)#
Von Martin Krusche#
Meine Adaption an die zwischenzeitlich hochgehende Sommerhitze macht Fortschritte. Als „The Driver“ kam, um mit mir nächste Themen und Perspektiven zu bereden, war sein betagter Puch G abgeplant. Das grob geschnitzte Militärfahrzeug bot die passenden klimatischen Bedingungen für diesen Juli.
Ich hab meine Höhlenmenschen-Pose, die mir in den letztem Monaten erwachsen ist, noch nicht so richtig abgeschüttelt. Aber es wird rundum wieder lebhafter und ich darf mich auf vorzügliche Leute stützen, um etwas voranzubringen. Für „Geteilte (in)Kompetenzen“ (GISAlab zu „Wie wir leben wollen“) war ich bloß im Hintergrund mit einigen Aufgaben betraut und konnte nun bestaunen, wie sich alles zu einem Abschluß hin gerundet hat.
Davor war ich mit Oliver Mally unterwegs gewesen, der mir gerade bei den Origami Ninjas in einer Rückschau einen wichtigen Part gibt. (Siehe: „Sturm im Rücken“). Wir debattieren unter anderem, was derzeit an Umbruch sichtbar wurde, den ich im Zeitfenster 2010 bis 2020 festmache. (Corona ist dabei bloß ein Kontrastmittel, das einige Dinge verdeutlicht.)
Dann also ins Vulkanland, wo man etwa vom Weingut Eibel aus diesen unglaublichen Blick auf die Riegersburg hat, was in einzelnen Aspekten sogar noch zu meinem Nachdenken über den Dreißigjährigen Krieg paßte. Die Belagerung als Standard, die offen Feldschlacht als Ausnahme, die unendlich langen Fußmärsche. Dabei war ich auf das Motiv der „Trosserinnnen“ gekommen, der Frauen im Tross. Die unglaubliche zähen Frauen der ganzen wandernden Infrastruktur, dank derer einst die Heere überhaupt funktioniert haben.
Die Wegmarken#
Aber ich schweife ab. Jedenfalls ist bei Eibels eine klare Auffassung vom alten Handwerk zu finden, dessen Fachkräfte uns grade nach und nach verlassen. Auch die eigene Arbeit des Winzer-Paares hat wohl noch etliches von den unzähligen Handgriffen, mit denen ein kleiner Betrieb besteht. („Wir produzieren nicht für die Gastronomie.“)Ich war dann freilich doch gedanklich in einer anderen Ära: „Aviatik und Akrobatik“ (Was sich rund um 1909 verdichtet hat). Da wird wieder anzudocken sein, denn das 20. Jahrhundert aufzuschlüsseln bleibt für uns ein wesentlicher Zugang zu Antworten auf offene Fragen des aktuellen Umbruchs. (Huh! Diese gedrechselte Satz ist mir selbst nicht ganz geheuer!)
Zugleich dieser Blick auf die alten Klein- und Flurdenkmäler, der mir ein Stück authentischer Volkskultur eröffnet, denn dieses Genre ist nicht mit andern Zwecken besetzt, ist auch nicht zur Magd des Marketings gemacht worden. Derzeit sind die „Wegmarken“ für mich eine Schnittstelle für eine ganz konkrete Kooperation mit vier oststeirischen Kommunen (Albersdorf, Gleisdorf, Hofstätten und Ludersdorf). Das Schöne an diesem Vorhaben ist die Möglichkeit, ohne jegliche Nebentöne auf das eigentliche Thema konzentriert zu bleiben.
Doch dieser Lauf der Dinge hat noch einen zusätzlich wesentlichen Aspekt, der im Inneren des Geschehens wirkt. Ich habe auf einem komplexeren Themenfeld mit höchst unterschiedlichen Charakteren zu tun, wobei keine Mentalität der anderen gleicht. Das ist weit spannender als man meinen möchte.
Eben erst hatte ich mit Vizebürgermeister Peter Moser unser Vorhaben wieder in die Gänge gebracht. („Zeichen im Raum“. Die nächste Phase der „Wegmarken“) Folglich „Redaktionsarbeit“ mit Bürgermeister Werner Höfler in Hofstätten an der Raab.
Ein Konferenzerl mit Bürgermeister und Nationalrat Christoph Stark: “Gemeinsamer Kommunikationsraum“ (Überlegungen zu den Wegmarken). Danach die Status quo-Erörterung mit Photograph Richard Mayr, der mir angelegentlich sensationelle Tieraufnahmen aus Ungarn zeigte, einen Ausschnitt aktueller Arbeiten: "Blickrichtung" (Unglaublich, wie schnell ein Wiedehopf ist, kaum zu erwischen...)
Professionalität#
Und nach meiner Tour mit „The Driver“ die Session mit dem Albersdorfer Bürgermeister Robert Schmierdorfer, was uns in wenigen Tagen auf eine gemeinsame Runde durch seine Gemeinde bringt. Wie schon erwähnt, keiner in dieser Crew ist den anderen auch nur annähernd ähnlich. Jede Zusammenkunft ist ein Stück der Praxis des Kontrastes. Das ist nur ein Aspekt dessen, was ich an diesem Kreis schätze. Der andere Aspekt, und das beginnt schon beim eingangs erwähnten GISAlab und Boss Mirjana Peitler-Selakov (Principal Engineer Functional Safety bei der ams AG), ist das Level an Professionalität.Denn wenn die aktuelle Seuchensituation etwas noch deutlicher sichtbar gemacht hat, was vorher schon absehbar gewesen ist: zum Kulturvölkchen gehört ein erheblicher Anteil von Leuten, die sich in Großsprecherei und im Trittbrettfahren hervortun. (Da fallen in zwischen so manche von den Trittbrettern herunter.)
Ich bleibe übrigens weiter den Schraubern auf der Spur. So war diesmal unsere erste Station Gnies (nahe Ilz), wo wir bei Josef Laller vorbeigeschaut haben. Der ist ein erfolgreicher Unternehmer, aber dahinter ein versierter Handwerker, ein Sammler und Schrauber. (In seinem Schuppen unter anderem die „steirische Norton“, also die Puch 250 TF.)
Von da war es eine teils beschattete Fahrt Richtung Riegersburg und zum Winzerehepaar Eibel (heuer seit 50 Jahren ein Duo), wo man sofort wußte, was ich meine, wenn ich „Holder“ sage: „Ja, der kleine Knicklenker für die Weinberge. Aber am Hang sehr gefährlich.“ Ich hatte den sturzgefährdeten Winzling erst wenige Tage zuvor aus der Nähe gesehen: „Ich mag mein Leben“ (Der Handwerker Mathias Sauseng)
Von da brachte mich „The Driver“ übrigens zum fälligen Arbeitsessen nach Walkersdorf. Wir konnten auch in sehr saloppen Klamotten bei „Haber & Fink’s Delikatessen“ einchecken. Ich war erschüttert, wie gut Essen schmecken kann und fragte die Kellnerin leicht verstört, wie ich nach diesem Abend weiter mit meinen selbst gekochten Sachen überleben soll. (Sie lächelte voller Mitgefühl.)
Das sind eben Momente, mit denen man fertig werden muß. Auf dem nächtlichen Heimweg bei spärlichem Licht war klar, daß wir eine Mission haben und demnächst ein paar kuriose Leute an einen gemeinsamen Tisch bringen müssen.
Ich verrate so viel, es wird auch mit dem Browning zu tun haben, den Gavro Princip auf Franz Ferdinand und seine Sophie abgefeuert hat. (In diesem Text finden sich auch ein paar andere Hinweise, aber das will erst genauer ausgebrütet werden.)
Ah ja, und weil ich – wie eingangs erwähnt – mit Musiker Oliver Mally grade ein Stück Bilanz abarbeite, dabei überprüfe, was der Begriff Autonomie in unserem Metier bedeutet, waren wir beim Motiv „Ich bin mein Boss“ gelandet. Das hat Künstler Heinz Payer grade mit einer Krusche-Paraphrase quittiert. („Boss Krusche“ wird sich freilich mit einem anderen Dresscode umtun…)
- Wegmarken (Ein kulturelles Zeichensystem)