Amselsturm: Die Sache#
(Eine Verwunderung)#
von Martin KruscheKünstler Heinz Payer, geistreich und sturmerprobt, war mein passender Teampartner für unseren Part der Gastkünstler in einer explizit feministischen Ausstellung. Das wurde für uns ein interessanter Anlaß, einige Annahmen zu überprüfen. Es gab ferner unterwegs ganz unterschiedliche Reaktionen, die mir von außen zugetragen wurden.
Da nun der „Amselsturm“ hinter uns liegt, kann ich darüber staunen, daß vollmundige Beteuerungen bezüglich Demokratie, pluralistischer und vor allem offener Gesellschaft, bezüglich Freiheit und Selbstbestimmung, daß derlei Beteuerungen oft nicht viel wert sind.
Was da bei Gelegenheit an „Werten“ betont wird, gerne auch als „Werte des Abendlandes“, erlebe ich in der Praxis von Alltagsdiskursen häufig bloß als Werkzeug-Arsenal, um gegen allfällige Skepsis oder gar Anfechtungen der eigenen Meinung vorgehen zu können.
Dabei erlebe ich Spott als Ausdruck der eigenen Inhaltsschwäche und Zynismus als letzten Fluchtweg des aufgebrachten Menschen, der seine Gründe entweder überhaupt nicht zu nennen weiß oder nicht nennen möchte.
Der Konservator muß nicht fragen, er weiß schon#
Aber wie sollen wir für eine offene Gesellschaft sorgen, wenn es uns schon schwer fällt, auf Andersdenkende ohne Ironie oder Zynismus zu reagieren, um so den Diskursraum offen zu halten? (Der Zynismus schließt Verständigungsräume augenblicklich.) Für mich sind Gespräche, in denen ich bloß erfahre, daß jemand seinen sozialen und ideologischen Status quo nicht in Frage gestellt sehen will, vergeudete Zeit. Diese Art der beharrenden Menschen haben mir geistig wenig zu bieten und was sie einem geben können, ist meistens sehr schnell erkundet.Wo wir an Themen entlang schrammen, die von unübersehbarer Brisanz sind, interessiert mich bloß ein geistreicher Mensch für Debatten. Der Konservator stünde mir dagegen bloß im Weg herum. Wir sind es vermutlich alle gewohnt, daß manche Begriffe mit bestimmten Inhalten befrachtet werden, die sich bald als Klischees bewähren. Da fragt dann im Alltagsdiskurs nur sehr selten jemand nach: „Wie meinst du denn das?“
Wenn ich das Wort Feminismus ausspreche, ist es gelegentlich, als hätte ich einen Knopf gedrückt und es kommen wie von selbst ganz populäre Reaktionen. Das Wort Feminismus ist ein Spitzenreiter unter jenen Begriffen, die meist ansatzlos Ressentiments auslösen.
Die semantische Frage#
Unter Semantik versteht man die Lehre von der Bedeutung sprachlicher Zeichen. Was immer wir auszusprechen in der Lage sind, ergibt sprachliche Zeichen, die freilich nicht das sind, was sie bezeichnen. Es geht darum, daß man in der Lage ist, Signifikant (das Bezeichnende) und Signifikat (das Bezeichnete) voneinander zu unterscheiden.Ich meine zum Beispiel, das Wort Tisch hat nichts „Tischhaftes“ an sich. Es ist ein beliebig gewähltes sprachliches Zeichen, das auf einen konkreten Gegenstand verweist. Ein anderes Wort wäre genauso gut geeignet. Es müssen sich bloß alle einig sein.
Das Wort Tisch (Signifikant) und der reale Gegenstand, den wir Tisch nennen (Signifikat) haben nichts miteinander zu tun, außer daß wir sie verknüpft haben, damit wir über Tische reden können.
Und der Feminismus? Sobald ich das Wort Feminismus ausspreche und jemand reagiert ansatzlos mit der eigenen Auffassung, was davon zu halten sei, ohne mich gefragt zu haben, wovon ich eigentlich rede, ist mir klar, daß hier jemand keinen Dialog sucht, sondern nur ein Statement abgibt.
Dabei bin ich dann bloß die Wand, gegen die der Mensch spielt. Meine eigene Auffassung spielt dabei keine Rolle, stört womöglich. Das ist nicht generell so, aber doch das Hauptereignis, sobald ich als Mann das Wort Feminismus ausspreche. Kriminalpsychologin Heidi Kastner hat das in einer rhetorischen Frage zusammengefaßt: „Wollen sie diskutieren oder recht haben?“
Weshalb mich das beschäftigt? Wir durchlaufen grade eine Zeit, in der sich etliche Wahlen verdichten; vom Gemeinderat bis zur EU. Da wird mir viel von „Werten“ geredet. Da wird posiert und posaunt, daß sich die Balken biegen. Ich aber will genauer wissen, was jemand meint, wenn es um brisante Themen geht.
Diesbezüglich haben wir freilich noch allerhand zu erledigen. Frauen wissen aus dem Umgang mit Männern nur zu gut, daß es für sie sehr gefährlich wird, wenn einer begehrt, was er verachtet. Wir müssen vermutlich annehmen: Es beginnt immer beim Sprechen, von dem auch Sprachlosigkeit handelt.
Positiv gesehen: Wir können Menschen daran erkennen, wie sich ihr mutmaßliches Denken, ihr hörbares Reden und ihr erfahrbares Handeln zueinander verhalten. Da sollte ja niemand die Fassung verlieren, falls jemand das Wort Feminismus ausspricht.