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Landwirt Stefan Dreier
Landwirt Stefan Dreier

Feiner, kleiner Fuhrpark#

(Über kompatible Landmaschinen und Kontraste)#

von Martin Krusche#

Der Bauer fährt Ferrari. Gelegentlich. Das konnte ich mir nun nicht verkneifen. Dabei geht es freilich um einen Knicklenker für den Obstbau, ein Monoposti statt einem supersportlichen Zweisitzer aus Maranello. Es ist ein eigenständiger Betrieb: Officine meccaniche Ferrari S.p.A. in der Reggio Emilia. Ich mag so kleine Umwege in Geschichten, weil das für mich alles interessante Details sind. Und hier geht es jetzt hauptsächlich um Traktoren.

Stefan Dreier und seine Frau Carmen betreiben die „Apfelschmiede“ über Pöllau. Das ist für mich eine beunruhigend komplexe Tätigkeit in permanenter Anforderung. Der gepflegte Hof hat noch eine Reihe anderer Funktionen, ist zum Beispiel von ganz unterschiedlichen Tieren belebt. Ich bin jemand, der seine Arbeit liebt und daher gerne reichlich Zeit darauf verwendet. Damit gut gemacht wird, was man macht. Aber dieses Aufgabengebiet würde mich eher in die Flucht schlagen.

Die agrarische Welt heute, der Obstbau speziell, und das im biologischen Anbau: ein riesiges Themenfeld. Ich gehe hier nur auf ein paar Aspekte davon ein, denn unser Projekt „Funkenflug“ handelt sehr wesentlich von Zusammenhängen der Mobilitäts- und Technologiegeschichte. Das bedeutet, es hängt auch eine Menge Sozialgeschichte dran.

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Hier nun: Traktoren. Plural. (Die Mechanisierung der Landwirtschaft ist ein junges Phänomen.) Ich hatte vor unserer Fahrt nach Pöllau mit einem Bauern aus Nitscha gesprochen. Josef Tschida erzählte mir, daß er mehrere Traktoren besitzt, durchaus betagte Maschinen, aber taugliches Gerät, damit er während der Arbeit die Zusatzausrüstung nicht dauernd umhängen muß. Mir dämmerte nur langsam, weshalb das keine Übertreibung ist.

Kräftespiele#

Das wollte ich nun genauer wissen. Carmen hatte mir erzählt, daß bei ihnen ein Fünfzehner Steyr in Teilen auf seine zweite Karriere warte. Das waren für Fotograf Richard Mayr und mich dann einige gute Gründe, um diese Familie zu besuchen. Der Fünfzehner, genauer: der Steyr Typ 80 mit 15 PS, war seinerzeit das zweite Modell jener Kompakttraktoren, die nach dem Zweiten Weltkrieg in St. Valentin auf den Markt kamen. (Davor war ab 1947 die Stupsnase, der zweizylindrige Steyr 180, produziert worden.)

Unter Bauern muß man niemandem erklären, was mit „Fünfzehner“ gemeint ist. Anfangs 13, schließlich 15 PS, das ist heute kaum vorstellbar, wo oft 40 PS allein schon für die Zusatzgeräte erforderlich sind, weshalb die ganze Fuhre besser 80 PS haben sollte.

Alles, was dem Bauern Zeit und Arbeitskraft spart, ist bei so kleinen Wirtschaften schon ein nennenswerter Gewinn. Das macht eben einen Unterschied. Ob man etwa zu dieser und jener Arbeit noch eine zweite Kraft braucht, Tagwerker anheuert, oder den Job alleine machen kann.

Nun haben also selbst Bauersleute einer kleinen Wirtschaft mehrere Schlepper für verschiedene Zwecke im Schuppen. Da wird etwas schlagend, woran ich als Stadtmensch nicht zu denken brauche. Es gibt eine ganze Reihe von Arbeiten, die müssen in völliger Wetterabhängigkeit geschafft werden, und zwar in einem kleinen, oft fast zu engen Zeitfenster. Sonst ist die Arbeit nicht bewältigbar oder die Früchte der Arbeit werden verdorben.

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Das Trio, von links: Richard Mayr, Stefan Dreier und Lorenz Ninaus (Das dritte Foto zeigt den Ferrari Knicklenker)

Das Umrüsten von Traktoren ist meist sehr zeitintensiv. Oft paßt diese Peripherie nicht so recht zu jenem Fahrzeug, nämlich genau dort, wo das Werkzeug zur Wirkung kommen soll. Dann muß justiert werden. Umgekehrt zeigt sich auch: Nicht jeder Schlepper paßt für jede Arbeit.

Sollte also der Gewinn der Mechanisierung lukriert werden, darf das weder einen Sprung im Bedarf an Arbeitszeit noch an Arbeitskraft bedeuten. Zu manchen Vorhaben werden zwar auch heute noch Tagwerker aufgenommen, zum Beispiel Erntehelfer, aber die meiste Zeit sollte das Gros der Arbeiten als Durchgang von einer Person bewältigt werden.

Selbstfahrer#

Das äußert sich dann zum Beispiel auch in einer Vorrichtung, dank derer ein Traktor alleine fährt und der Bauer hinten am Zusatzgerät hockt, um dort zu arbeiten. Richtig! Früher waren dafür zwei Leute nötig, jetzt macht es ein Mann. Künstliche Intelligenz und Satellitennavigation? Nein, nicht in dem Fall. Eine Steuervorrichtung und Sensoren am Traktor sorgen dafür, daß so ein Gespann zwischen den Pflanzenreihen auf der Spur bleibt. Am Status quo der heutigen Agrartechnik gemessen ist das fast schon Low Tech. Und es klappt vorzüglich.
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Das Steuergerät, dank dessen der Traktor alleine fahren kann und der Bauer zur Arbeit auf der Peripherie hockt. Sensoren geben der EDV über Zustandsänderungen bescheid.

Als Laie kommt man ins Staunen, wenn man sich umsieht, was sogar gebrauchte Traktoren nach unzähligen Betriebsstunden noch kosten. Neuanschaffungen? Carmen sagt: „Das kannst du nie erwirtschaften.“ Schon gar nicht mit Äpfeln. Die Marktsituation ist seit Jahren ziemlich unfreundlich. Mein bevorzugter Kaufmann, den ich gerne von seiner Arbeit abhalte, wir stehen dann zwischen Regalreihen und plaudern übers Leben, erzählt mir öfter Episoden von Obsthändlern, deren Usancen fallen aus meiner Sicht in den Bereich des unethischen Verhaltens.

Bei kleinen Landwirtschaft sollte man also mit Gebrauchtfahrzeuge zurechtkommen. Und man hat besser ausreichend handwerkliches Geschickt, um Wartung wie Reparatur weitgehend selbst zu erledigen. Es ist außerdem manches per Improvisation zu lösen, um nicht für alles Geräte kaufen zu müssen. Klar? Klar!

Das ergibt dann allerweil noch einen beachtlichen Maschinenpark, den ich da bei Dreier-Zwetti sehe. Hier hinter Pöllau ist das für mich eine faszinierende Anordnung von Werkzeugen, die mit Augenmaß zusammengestellt wurden. Sohn Lorenz Ninaus trägt einiges zum Gelingen solcher Aufgaben bei. Er absolviert momentan eine Mechaniker-Lehre, was zu Hause nützt, weiß aber dadurch jetzt schon, daß er lieber Landwirt sein will, denn er mag eigentlich keinen Chef haben.

Augenmaß?#

Lorenz hat den zerlegten Fünfzehner Steyr in Arbeit. Der wird aus durchaus sentimentalen Gründen restauriert. Er kann dann im Prinzip selbstverständlich immer noch für jene Arbeiten eingesetzt werden, die man vor Jahrzehnten mit ihm verrichtet hat. Aber wie schon angedeutet, mit dieser historischen Motorleistung ist nicht gar so viel zu machen.
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Lorenz Ninaus restauriert der Fünfzehner Steyr, der augenblicklich in Einzelteilen herumliegt.

Der Steyr 80 war nach dem Krieg ein Standard-Traktor, bevor die zweite Mechanisierungsstufe voll einsetzte. Er ist Legende. Zur Gegenwart meint Lorenz, wenn sie kein Biobetrieb wären, würden sie mit weniger Gerätschaften auskommen. Es sind einfach aufwendigere Verfahrensweisen.

Währenddessen rollen hausgroße Traktoren mit reichlichem Getöse durch unsere Orte. Wer braucht die? Es hat sich vieles verändert. Zum Umbauen wird man sie nicht nehmen, in der Oststeiermark gibt es dafür nicht die Flächen, wo jemand mit einem fünf- oder gar achtscharigen Pflug reinfährt. Daher sind die großen Brocken vor allem einmal Zugmaschinen und dabei Quasi-Lastwagen (Zugmaschinen), die nicht dem LKW-Fahrverbot am Wochenende unterliegen.

Doch Stefan nennt ein Beispiel, wie es kommt, daß auch er gelegentlich so einen rollenden Zweitwohnsitz anmietet. Die „Apfelschmiede“ liegt auf der einen Seite von Pöllau, doch etliche Flächen auf der anderen Seite der Stadt, in Pöllauberg. Manche Jahre ist es so trocken, daß gegossen werden muß, weil der Regen einfach nicht genug ausgegeben hat. Nun also: zwei Fahrten mit einem Zwölftausend-Liter-Faß, als Ersatz für 24 Fahrten mit einem Tausend-Liter-Faß. Klar? Klar!

Zeitfenster#

Ich hab es schon angedeutet: Die Wege, die Flächen, das Wetter. Daraus ergeben sich Zeitfenster, die manchmal sehr eng werden. Es wäre einfach, würden Bauersleute ihre Nutzflächen ausschließlich rund ums Haus haben; der sogenannte Scheibengrund. Das ist aber meist nicht der Fall. Zeit spielt also in bestimmten Arbeitssituationen eine erhebliche Rolle. Man braucht auch verträgliche Nachbarn, mit denen man es sich nicht verderben sollte. Manchmal hängen kurze Zufahrtswege zu einer Fläche vom Frieden unter Nachbarn ab.

Es können sehr lange Umwege daraus werden, wenn der Frieden flöten geht. Zeit, Treibstoff, das alles sind Aspekte, die in Arbeitsabläufen der Landwirtschaft eine Rolle spielen können, wenn es auf den Unterschied zwischen „fleißig“ und „tüchtig“ ankommt. Fleißig ist, wer viel arbeitet. Tüchtig sind jene, bei denen dabei auch was herausschaut. Das Schlüsselwort lautet: Ertrag.

Kontext#


  • Alle Fotos: Martin Krusche
  • Funkenflug (Eine Erkundung)

Postskriptum#

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Die Referenz-Fuhre: Solche Brocken gehören inzwischen selbst in der Stadt zum Alltag.