Volksschauspiel#
Den Begriff Volksschauspiel prägte der Schauspieler Eduard Devrient (1801-1877). Leopold Schmidt (1912-1981) definierte es als "Schauspielgut, das im Rahmen der überlieferten Ordnungen der Volkskultur von den Trägern der Überlieferung gespielt wird". 1942 veröffentlichte er "Das Deutsche Volksschauspiel in zeitgenössischen Zeugnissen vom Humanismus bis zur Gegenwart" und erschloss daraus eine erste historische Systematik der Gattungen:
- Spielhafter Brauch ortsfester Art: Brechelspiel, Faschinghochzeit, Glöcklerlauf, Metzgersprung, Osterspiel, Christi Himmelfahrt-Spiel, Kindelwiegen.
- Umzugspiel: Sommer- und Winterspiel, Paradeisspiel, Sternsingen, Adventspiel.
- Prozessionsspiel: Fronleichnamspiel, Maria Himmelfahrtsprozession, Sieben-Schmerzen-Mariä-Prozession.
- Stubenspiel: Paradeisspiel, Weihnachtsspiel.
- Großspiel: Passionsspiel, Legendenspiel.
- Truppenspiel: Laufener Schiffertheater, Ilmenauer Bergmannsspiel.
- Puppenspiel: Wandermarionettenspiel, Krippentheater.
- Jahreslaufstoffe: Neujahrsansingen, Sternsingen, Sommer- und Winterspiel, Fastnachtspiel, Gregoriusumzug, Oster- und Passionsspiele, Pfingstkönig, Christi Himmelfahrtsspiel, Nikolausspiel, Spiele des Weihnachtskreises.
- Legenden- und Volksbuchstoffe: Castilio von Castilien, Faust, Genoveva, Hauptverfolgungen der Christenheit, Don Juan, Prinz Eugen, Sächsischer Prinzenraub.
- Schul- und Ordensdramenstoffe: Haman und Esther, Judith, Pankratius, Pauli Bekehrung, Susanna, Stilicho, Titus, Zachäus.
Kulturerbe Laßnitzer Volksschauspiele
Die Laßnitzer Volksschauspiele weisen eine mehr als 200jährige Tradition auf, gehen aber wohl auf mittelalterliche Mysterienspiele zurück. Schriftliche Aufzeichnungen gibt es seit dem 19. Jahrhundert. Fünf Volksschauspiele werden in unregelmäßigen, mehrjährigen Abständen in Steirisch Laßnitz dargeboten: Das "Spiel vom reichen Prasser und dem armen Lazarus“ gilt als das älteste und wird zusammen mit dem „Schäferspiel“ aufgeführt. Das „Paradiesspiel“ zeigt die Erschaffung des Menschen, die Vertreibung aus dem Paradies sowie die Erlösung durch Gottes Sohn. Das „Hirtenspiel“ stellt die Geburt Jesu von der Verkündigung des Engels an Maria bis zur Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten dar. Das „Genovevaspiel“ handelt von der Pfalzgräfin Genoveva von Brabant und folgt in seinem Inhalt einem deutschen Volksbuch. Gesprochen und gesungen wird in alter Mundart, Gestik und Mimik sind weitgehend vorgegeben. Es gibt keine Bühnenbilder - weil ursprünglich Bauernhäuser und Gasthöfe Auführungsorte waren - und nur wenige Requisiten. 2016 wurden die Laßnitzer Volksschauspiele in die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S. 909
Arthur Haberlandt: Taschenwörterbuch der Volkskunde Österreichs. Wien 1959. Bd. 2/ S. 60 f.
Leopold Schmidt: Das deutsche Volksschauspiel. Berlin 1954
Edith M. Prieler: Volksschauspiel in Lassnitz. Salzburg 1996
UNESCO