Weide#
Weiden (Salix) sind eine Pflanzengattung mit 450 Arten. Sie bevorzugen überwiegend feuchte Böden. Wegen ihrer guten Bewurzelungseigenschaft und geringen Ansprüche werden Weiden häufig zur Befestigung des Bodens verwendet, zum Beispiel an Hängen mit Rutschgefahr. Weidenzweige waren wichtig für die Herstellung von Zäunen und Flechtwänden. Früher wurden die Bäume häufig als Kopfweiden geschnitten, um möglichst viele der jungen, biegsamen Zweige zum Flechten und Binden ernten zu können. Der Bestand in Engelsdorf (NÖ) wurde zum Naturdenkmal erklärt. Die Blätter der meisten Weidenarten sind als Viehfutter geeignet.
Zweige der Sal-Weide (Salix caprea) mit ihren Palmkätzchen werden bei der Prozession am Palmsonntag verwendet. Daher galt sie mancherorts als heilig. Den ganzen Palmbuschen, in den auch andere Pflanzen eingebunden sind, wie der immergrüne Buchs, steckt man auf Felder, in Haus und Hof. Er soll Segen und Gesundheit bringen und Unheil abwehren. In der Kirche wird er im folgenden Jahr zur Asche für das Aschenkreuz. Mit geflochtenen Weidenruten (Karbatsch) gehen Kinder an verschiedenen Tagen (Ostern, Pfingsten, 28. Dezember) beim "Frisch-und g'sund-schlagen" heischen. Dies erklärt sich aus dem mittelalterlichen Schulbrauch des Virgatum-Gehens. Dabei mussten die Kinder die Weidenzweige holen, aus denen die Ruten zu ihrer Züchtigung geflochten wurden. Im Sinne der "Verkehrten Welt" durften sie dann einmal im Jahr die Erwachsenen damit schlagen. Mit "uralten Vegetationsriten" hat der Brauch nichts zu tun.
Weiden waren ein populäres Heilmittel. Bekannt ist die Vorstellung, geweihte Palmkätzchen zu schlucken, würde gegen Halsschmerzen helfen. Einige wären an dieser Kur erstickt, heißt es in der Kritik der Aufklärer. Am Gründonnerstag geschälte Weidenrinde soll Halsbeschwerden lindern. 1828 isolierte der deutsche Pharmakologe Johann Andreas Buchner aus der Weidenrinde das Salicin, das im menschlichen Körper eine der Acetylsalicylsäure (Aspirin) vergleichbare Wirkung besitzt.
Magische Vorstellungen: Traditionell wurde die Weide als Helferin gegen die gefürchteten "77 Fieber", Gicht und Rheumatismus angesehen. Krankes Vieh wird gesund, wenn man es dreimal mit einer Weidenrute berührt. Man soll mit Palmkätzchen über die Haut streichen, damit sie ebenso weich wird wie diese. Die Silber-Weide (Felber) hat gelbe Zweige. Daher meinte man Gelbsucht los zu werden, wenn man sich Zweige um den Arm band. Aus neun "felbernen Ruten" kann man Hexenbesen oder Wünschelruten herstellen. Wenn man eine Weidengerte beim Anbauen des Leins ins Feld steckt, nimmt sich der Flachs ein Beispiel und wird lang und bastig. Wenn man bei der Geburt eines Haustieres einen Weidenbaum setzt und diesen gut pflegt, wird das Tier gesund bleiben. Ein Zauberbuch aus dem 15. Jahrhundert beschreibt, wie man unter bestimmten Ritualen einen Wurzelschössling pflanzen soll, um sich vor allen Feinden zu schützen. So rasch wie der Baum würden einem "tausend geharnischte Helfer" erwachsen. Allgemein herrschte der Glaube, dass man Krankheiten auf einen Baum übertragen (verpflocken) kann, um sich davon zu befreien. Weiden schienen bei Zahnschmerzen besonders geeignet.
Nach einer Legende rettete eine Weide der heiligen Familie auf der Flucht nach Ägypten das Leben: Maria, Josef und das Jesuskind konnten sich unter den Ästen einer Hängeweide vor den Soldaten des Königs Herodes verstecken. In der Literatur findet man Weiden bei Shakespeare ("Othello") ebenso wie im Kinderreim. Das Lied vom Buchsbaum und vom Felbinger (Weide), das um 1500 in Frankfurt entstand, ist ein Streitgespräch zwischen den Bäumen, welcher der bessere, wertvollere sei, und eine musikalische Gebrauchsanweisung, wozu man Buchsbaum- und Weidenholz verwenden kann: das eine für feines, gedrechseltes Trinkgeschirr und Pfeifen, das andere für Fässer und Reitsättel. Am Ende muss der Buchsbaum der Weide zugestehen: "Das Spiel hast du gewonnen", aber mit dem Nachsatz: "Doch ich bleib grün im Winter und im Sommer."
Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S.946 f.
Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Berlin 1941/1987. Bd. 9 / Sp. 242 f.
Eberhard Kummer: CD Mittelalterliche Lieder und Tänze (Weinberg Records SW 010173)
Anton Hofer: Volksmusik in Niederösterreich. Sprüche, Spiele und Lieder der Kinder. Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar 2004
Bild:
Weide. Foto: Alfred Wolf
Siehe auch:
Weide in: Verschwundene BräucheDas Buch der untergegangenen RitualeHelga Maria WolfBrandstätter VerlagWien2015
Weide in: Die Kräuter in meinem GartenSiegrid Hirsch et al.FreyaLinz2015