GOETHES BESCHWERDE#
1912: Goethe besuchte mit Vorliebe die Kurbäder in Böhmen. Zeugen seiner Anwesenheit und seine tiefe Beziehung sind hier zahlreich zu finden in Gedenksteinen, Plaketten und Denkmäler. Insgesamt soll der Dichterfürst 1114 Tage hier verbracht haben. Von den Kurorten war Karlsbad, in dem bezaubernden Tal der Tepla der bevorzugteste dem seine ganze Liebe galt. Nicht nur die Umgebung entsprach seinen Wünschen, konnte man doch hier in der wunderbaren Natur sehr viel unternehmen, auch von der Architektur die sich nach und nach in allen Stilarten entwickelte begeistern die Besucher und sind außerdem gut erhalten.
Nun zu Goethes Beschwerde. Goethe machte am 21. Juli 1811 von Karlsbad aus mit seiner Frau und deren Begleiterin, Fräulein Ulrich, einen Ausflug nach dem nahen Schlaggenwald und kehrte in heiterster Stimmung beim Wirt zum „Roten Ochsen“ ein, um dort mit seiner Gesellschaft zu speisen. Doch der Wirt wusste um welch hohen Gast es sich handelte, der ihm die Ehre zuteil werden ließ, nützte die Gelegenheit um den berühmten Dichter der sich zu ihm verirrt hatte, eine Rechnung auszustellen wagte, die den berühmten Reisenden sogleich in höchsten Ärger versetzte. Die Folge davon war, dass Goethe „das gehorsamste Promemoria“ an den damaligen Kreishauptmann von Karlsbad richtete, dem er als ein stets positiver Kritiker einen Vorschlag zur Besserung beifügte; er teilt zunächst die Tatsachen mit, dass er für ein Mittagessen „mit dessen Details er weder beschwerlich sein, noch dessen Wert er all zu sehr herabsetzen wolle“ und dem man sehr viel Ehre antue, wenn man es pro Person auf neun bis zehn Gulden anschlage, für vier Personen 76 Gulden berechnet habe, und fährt dann fort „Unterzeichneter bittet um Vergebung, wenn er mit dieser anscheinenden Kleinigkeit beschwerlich fällt. Aber es ist in diesen Tagen schon öfter vorgekommen, dass Gesellschaften in die Natur gelockt wurden, und verärgert nach Hause kehren über die unverschämt hohe Zeche. Eine hohe Behörde wird auch ohne mein Mitwirken einem solchen immer mehr um sich greifenden Übel abzuhelfen wissen. Doch füge ich einen mir ausführbar scheinenden Vorschlag hier bei, in keiner anderen Absicht, als um zu zeigen, wie sehr ich wünsche, dass Karlsbad, dem ich so viel schuldig bin, bei seinem bisherigen guten Ruf von billiger Behandlung erhalten werde.
Mein unmaßgeblicher Vorschlag wäre daher dieser: Eine hohe Behörde legte solchen Gastgebern in der Nachbarschaft die Verpflichtung auf, mit Personen, welche entweder vorher Bestellung machen, oder welche gerade ankommen, einen bestimmten Akkord zu treffen über den Preis dessen, was man von ihnen verlange, es sei nun ein Frühstück, Mittagessen, Wein, Kaffe udg. Oder auch, wenn Gäste, wie hier öfters zu geschehen pflegt, etwas mitbringen, für das Absteigezimmer, allenfalls den Gebrauch der Küche und sonstiges. Den Gästen würde das bekannt gemacht, und jeder würde sich gern danach richten, weil die Sache sehr einfach ist. Eine hohe Stelle hätte dadurch keine weitere Beschwerde, weil das Verhältnis auf einem Betrag beruht, wo denn jedermann sich selbst vorsehen mag.Taxen haben überhaupt etwas missliches und sind in dem gegenwärtigen Augenblick kaum denkbar Auch wäre die Sache nicht neu und unerhört, sondern es erstreckte sich nur, was schon in Karlsbad gebräuchlich ist, auch über die Gegend.“
Gut, dass es die Speisekarte gibt!
QUELLE: Allgemeine Bade Blatt für die Frauenwelt, 30. Juli 1912. Österreichische Nationalbibliothek ANNO
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