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Den Jagdmuseen auf der Spur #

Eine kleine Kulturgeschichte mit unsicherem Ausgang#


Von

Dr. Harald W. Vetter


Jagdtisch aus dem 17. Jh.
Jagdtisch aus dem 17. Jh.
Foto: Kühne

Der Begriff Museum leitet sich aus dem altgriechischen museion ab, was so viel wie Diskurs oder philosophische Reflexion bedeutet. Ein solcher Ort war also dem Nachdenken über das Seiende geschuldet und verstand sich gleichsam als Gespräch und Symposion. Dabei ging es um Vergangenheit und Zukunft des Menschentums, nicht aber um ledigliches Aufbewahren dessen, was einmal in Verwendung stand. Erst viel später hat man sich mit dem Antiquarischen oder nur Ästhetischen beschäftigt. Die antike Auffassung des Museums war also etwas höchst Lebendiges und nichts Abgestorbenes. Ungefähr im Nachgang der Renaissance wurde die Sammelleidenschaft der Herrscher und der Aristokratie gleichsam zu einer öffentlichen Sache. Die sogenannten Kunst- und Wunderkammern, Naturalienkabinette und eben auch Jagdsammlungen und Rüstkammern wurden als respektabler Besitz stolz der Öffentlichkeit präsentiert, größtenteils um Macht und Einfluss zu demonstrieren. Ungefähr erst ab der Mitte des 18. Jahrhunderts werden in Europa die Pforten dieser Privatsammlungen für die Allgemeinheit geöffnet und es entstehen allmählich Museen im klassischen Sinn samt Kustoden, entsprechender Sammlungsverwaltung und Systematik. Der ursprüngliche Impetus allen musealen Tuns lag wohl im Staunen, Bewunderung, Leidenschaft und Belehrung begründet.

Kostbarer Jagdpokal 1709
Kostbarer Jagdpokal 1709
Foto: Kühne

Und die „ Unterhaltung und Belehrung der gebildeten Stände“, wie es damals so schön hieß, trat schließlich auch prompt in den Mittelpunkt, womit bereits die beiden Grundpfeiler genannt sind, die die Zukunft der meisten Museen in den nächsten 200 Jahren bestimmen sollten. Zum einen ist dies die rein ästhetische Perspektive, also die möglichst beeindruckende Ausstellung von Gemälden, Skulpturen und sonstigen Kunstgegenständen, Kunsthandwerk, Waffen und Trophäen. Was Letztere anbelangt, so war im Barock nur das Abnorme interessant, wie uns etwa die berühmte Geweihsammlung im Jagdschloss Moritzburg bei Dresden zeigt. Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die kapitale Trophäe zum Statussymbol bürgerlichen Waidwerks und unterlag schon bald diversen Messgrößen. Zum anderen aber wurden die aus den fürstlichen Jägerhöfen stammenden Objekte nun auch der musealen Didaktik zugeführt.

Hier kreuzen sich also schon seit langem die Absichten der Jagdmuseen, die in Wirklichkeit auch die meisten anderen Sammlungsbereiche betreffen! Das „aus der Zeit gehobene Exponat“ gewinnt durch seinen antiquarischen Wert einen quasi ganz neuen Stellenwert, währenddessen das Zeigen gegenwärtiger jagdlicher Themen und Probleme sich eher mit Fotos, Statistiken, Stopfpräparaten, modernen Jagdbehelfen, Videos oder sonstigen interaktiven Simulationen behelfen und begnügen muss, also einen rein lehrhaften Charakter besitzt. Eben darum stellt sich ja auch der Frage, wozu denn solche Museen überhaupt gut sind?

Im deutschen Sprach - und Kulturraum existiert seit geraumer Weile eine nicht unbeträchtliche Anzahl einschlägiger Museen, die größtenteils im vorigen Jahrhundert gegründet worden sind, so u. a. das Deutsche Jagd- und Fischereimuseum in München, das Ostpreußische Jagdmuseum in Lüneburg, das Jagdschloss Kranichstein bei Darmstadt, der niedersächsische Jägerlehrhof Springe, das oberpfälzische Jagdmuseum auf Burg Falkenstein, das Jagdschloss Berlin-Grunewald, das Feudalmuseum Wernigerode (wie es zu DDR – Zeiten hieß), das sächsisch königliche Jagdschloss Moritzbug, das Schloss Erbach in Odenwald. der Salzburger Jagdhof Schloss Fuschl, das Oberösterreichische Jagdmuseum Schloss Hohenbrunn bei St. Florian, das Jagdmuseum auf Schloss Stainz in der Weststeiermark, das Südtiroler Jagd- und Fischereimuseum Schloss Wolfsthurn in Mareit, weiters Sammlungen im kärntnerischen Straßburg, im niederösterreichischen Marchegg, das Schweizerische Jagdmuseum Schloss Landshut und das Jagdmuseum in Utzenstorf bei Bern. Diese Aufzählung kann sicher keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, umfasst aber zumindest die wichtigsten Häuser. Viele davon haben naturgemäß derzeit mit ziemlichen Finanzierungsschwierigkeiten zu kämpfen.

Großer Waffensaal mit den Hamilton–Gemälden des Fürsten Schwarzenberg
Großer Waffensaal mit den Hamilton–Gemälden des Fürsten Schwarzenberg
Foto: Amsüß

Trotz oder wegen des gesellschaftlichen, zumindest medialen Mainstreams gegen das Waidwerk erfreuen sich Jagdmuseen immer noch beträchtlicher Beliebtheit, wobei sich das allgemeine Publikumsinteresse eher nicht auf die Sach- und Fachgebiete moderner Jagdpraxis und ihrer ökologischen Zusammenhänge richtet, sondern vielmehr vergangenheitsorientiert scheint. Themenorientierte Führungen für Jägerinnen und Jäger oder sonstige Fachleute bilden zumeist die Ausnahme. Bei jeder halbwegs aktuell sein wollenden Schausammlung ist auch ein derartiger sonderbarer „Riss“ zu bemerken. Der Versuch, jagdliche Information und Aufklärung für ein möglichst breites Besucherspektrum anzubieten, mag sich oft genug nicht in den kulturgeschichtlichen Bereich harmonisch einfügen. Und gerade hier erhebt sich wieder die Grundfrage allen musealen Tuns: reine Bildungseinrichtung oder schon auch etwas mehr und darüber hinaus? Bei so manchen Zeitgenossen stellen sich bei den Begriffen Didaktik und Museumspädagogik zu Recht die Haare auf, zumindest spitzt man hier die Löffel und denkt unwillkürlich an gnadenlose Belehrung, ja sogar an Manipulation. Zugegebenermaßen wirken einschlägige Museumssammlungen in ihrer Aufstellung und Gestaltung wie ein eher hilfloser Versuch, Vergangenheit und Gegenwart, Kultur und Natur miteinander zu verquicken, und dies dann auch noch mit einer Prise Selbstkritik.

Welche Perspektive man auch immer für ein neugestaltetes Jagdmuseum realisieren möchte, ob chronologisch, ästhetisch, antiquarisch oder kontextuell- aufklärend, man wird sehr bald an die Grenzen einer vielleicht beabsichtigten Bildungsinstitution stoßen!

Richten wir also nochmals unser Zeitspektiv zurück auf das überkommene Begriffspaar „Unterhaltung und Belehrung“ aus der Ära des postaufklärerischen Bildungsbürgertums. Unterhaltung heißt nicht nur ein angenehmes Gespräch haben, sich die Zeit vertreiben, sondern bedeutet ebenso Diskurs und Gedankenaustausch. Man kann nur in ein gutes, gelungenes Gespräch kommen, wenn es dafür Bilder, Erinnerungen und Assoziationen gibt. Eine solche „Assoziationskette“ wird Museumsbesucher weitaus mehr befriedigen können als breit gestreute didaktische Flintenschüsse. Solche Erkenntnisse, prälogische, sinnliche, meinetwegen auch „irrationale“ bilden weit mehr als jede noch so gut gemeinte Rechtfertigung der Jagdausübung, mag sie digital perfekt aufbereitet sein, weil sie das Unterbewusstsein gleichsam lustbetont anregt! Und dazu wird neben den jagdgeschichtlichen Fachleuten insbesondere ein erfahrenes Gestalterteam benötigt, das sich jenseits aller „saisonalen“ Modernismen insbesondere auf die menschliche Psychologie der Wahrnehmung stützt. Gute Fachmuseen müssen ihren Besuchern grundsätzlich die Freiheit der eigenen Erwanderung und des Heranpirschens geben, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ob jedoch das traditionelle Museum noch das 21. Jahrhundert überstehen wird, muss vorerst einmal unsicher bleiben wie vieles andere.

Gamsjagd zur Zeit Erzherzog Johanns
Gamsjagd zur Zeit Erzherzog Johanns. Eines der berühmten Dioramen Jung-Ilsenheims (nun deponiert)
Foto: Kühne

Abschließend seien noch ein paar Anmerkungen zum einstigen Jagdmuseum Schloss Eggenberg erlaubt, das der Autor einige Jahre lang geleitet hat, gerade weil es diese symptomatischen historischen Widersprüche in sich trug. 1941 als „Museum für Biotechnik und Jagdkunde“ gegründet, hatte es daher seinen Ursprung in einer typischen Lehrsammlung dieser Zeit. Prof. Wilhelm Hoffer stand nach dem Krieg der „Abteilung für Jagdkunde am Landesmuseum Joanneum“ ab 1951 vor. Sein Nachfolger, Prof. Philipp Meran, initiierte schlussendlich das 1953 eröffnete Jagdmuseum Schloss Eggenberg. Die Sammlung verblieb bis zum Jahre 1998 ebendort und wurde 2003 nach Schloss Stainz disloziert. Soweit die dürren Fakten. Als Kind war für mich dieser erste Eggenberger Museumsbesuch ein prägendes Erlebnis. Naturgemäß erst viel später begriff ich, warum. Es besaß nämlich, je weiter man in diese hohen Räume vordrang, eine wunderbare Unordnung, eine Wirrnis in durchaus positivem Sinn. Man konnte sich gar nicht genug sattsehen an realistischen Dioramen, oft seltsamen Wildpräparaten, Bildern, Waffen und überfüllten Vitrinen mit allerlei historischen Denkwürdigkeiten. Dass das Jagderlebnis darum ein gewaltiges sein müsste und die Jagdkultur mindestens dem in nichts nachstünde, dieser Eindruck ist so stets präsent geblieben.

Erst als Museumsleiter war einem ganz klar geworden, dass der Vorgänger hier nur der Not gehorchend vorzugehen hatte. Denn es gab kaum geeignete Depots und keinerlei weiteren Entfaltungsmöglichkeiten für die Schausammlung, schon gar nicht die nötigen Finanzierungsmittel. Dadurch aber erhielt das Jagdmuseum Schloss Eggenberg erst eigentlich wieder jenen typischen Charakter einer fast barocken „Kunst- und Wunderkammer“. So manche Beobachtungen haben es immer wieder bestätigt: Vor allem Kinder und Jugendliche waren von dieser Schausammlung von jeher besonders fasziniert. Über die weiteren, leider nicht nur für für den Autor eher unschönen Entwicklungen und Ereignisse rund um dieses ehrwürdige Museum, welche zuletzt die freiwillige Versetzung in die damalige Kulturabteilung zur Folge hatten, soll hier besser Waldesstille herrschen. Nur so viel: Ein umfangreiches Konzept zur Neuaufstellung der jagdkundlichen Sammlung konnte immerhin den damals politisch wie fachlich Verantwortlichen noch vorgelegt werden. Es wurde - international anerkannt - und freilich gekürzt im Jahresbericht 1996 des Landesmuseums Joanneum (N. F. -26 Graz, 1997, S. 145 ff.) als solches publiziert. Dessen Schlusssatz lautet übrigens: „Ein Jagdmuseum der modernen Art soll eben nicht nur mit allen wichtigen Grundinformationen über Geschichte und Gegenwart des Waidwerks aufwarten können, vielmehr wird es insgleichen auch an die sinnliche Apperzeptionsfähigkeit seines Publikums appellieren müssen. Denn, so der große spanische Kulturphilosoph Ortega Y Gasset: „Der Jäger ist der wache Mensch.“

Dr. Harald W. Vetter war von 1994 bis 1997 Leiter des Jagdmuseums Schloss Eggenberg (Abteilung für Jagdkunde am LMJ) und von 2003 bis 2013 Leiter des Referats Volkskultur in der Kulturabteilung der Steiermärkischen Landesregierung.


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