Ein Ort der Freundschaft#
Zum Bildstock des Werner Loder#
von Martin Krusche
In der Gemeinde Albersdorf-Präbuch kamen kürzlich Menschen zusammen, um der Einweihung eines Bildstockes beizuwohnen. Das wurde nicht bloß ein Ritual, um dieses Flurdenkmal der Öffentlichkeit vorzustellen. Es erwies sich als ein weit komplexeres Ereignis. Die Zusammenkunft rührte gewissermaßen an die Frage: Wo stehen wir denn heute gesellschaftlich? Das ist gar nicht so einfach zu beantworten, zumal sich mehr denn je Großmäuler, Marktschreier, so allerhand Selbstdarsteller hervortun, in unser Blickfeld drängen.
Was sich dabei an eitlem Getöse wichtig macht, wird in der aktuellen Mediensituation durch eben diese Medien oft noch unangemessen verstärkt, aufgebläht. Aber wir können uns in manchen Fragen ohnehin nur auf eigene Eindrücke verlassen, wie sie in realer sozialer Begegnung möglich sind. Genau das ereignete sich jüngst am Rand einer schmalen Landstraße in der Oststeiermark.
Abseits all des Trubels, der mediengestützten Wichtigtuerei, auch abseits jener professionell aufgebrezelten Situationen, die uns Wow-Effekte liefern sollen, handeln Menschen gelegentlich still und konsequent. Wie kommt das? Eventuell so: Werner Loder hat seinen Arbeitsalltag in der Begleitung und Betreuung demenzkranker Menschen. Die brauchen keine großen Gesten und vollmundigen Behauptungen, sondern achtsame Begegnung und eine Art von Wahrhaftigkeit. Wer sich in solchen Aufgaben bewährt, wird womöglich auch in seinem Privatleben eher darauf konzentriert sein, sich Grundsätze zu erarbeiten und diese im eigenen Leben umzusetzen.
Bei Loder hat sich das aktuell so geäußert, daß er mit seiner Familie übereinkam, vom privaten Grundstück etwas abzutrennen und der Öffentlichkeit zu widmen. Das ist für sich schon sehr interessant. Einerseits sollten wir heute wieder nachdenken, wie sich öffentliche und private Räume zueinander verhalten und was der öffentliche Raum für eine lokale Gesellschaft bedeutet.
Andrerseits haben wir fast schon vergessen, was Grundbesitz in der einstmals so ärmlichen Oststeiermark mit ihren kleinen Selbstversorger-Wirtschaften bedeutete. Daher ist dieser „Garten der Freundschaft“ gewissermaßen eine soziale Kuriosität und erinnert auf diese Art an eine alte Kategorie: die Allmende. Der Begriff bezeichnet ein Grundstück, welches nicht einzelnen Privatpersonen gehörte, sondern der Dorfgemeinschaft zur Nutzung erhalten wurde. Hier ist in Albersdorf also eine Art geistige Allmende entstanden.
Loder ist handwerklich versiert, was sich auf verschiedene Arten zeigt. Da wäre neuerdings dieser Bildstock, genauer: die stattliche Ausführung eines Kapellenbildstockes, was bedeutet, der Innenraum reicht bis zum Boden und ist betretbar. Darin findet man ein großformatiges Mosaik, also jene Bildtechnik, der sich Loder seit Jahren widmet. Die Wahl des Motives finde ich besonders interessant.
Während Künstler für derlei Arbeiten oft ihre eigene Handschrift und Person in den Vordergrund rücken, entschied sich Loder, ein historisches Vorbild aufzugreifen. Eine Pantokrator-Ikone aus dem 16. Jahrhundert. Sie zeigt ein idealisiertes Christusbild mit Segenshand, Bibel und Kreuznimbus. Das meint einen Heiligenschein, der ein griechisches Kreuz in sich hat, wodurch bei Darstellungen die drei göttlichen Personen von den übrigen Heiligen unterschieden werden.
Bliebe zu erwähnen, daß Ikonen prinzipiell keine Abbilder der realen Welt sind, keine Portraits. Sie waren stets als eine Art Platzhalter für ein höheres Prinzip gedacht. Das heißt, die Ikone zeigt uns nicht Christus, sondern bietet uns ein kodifiziertes Motiv zur Betrachtung an, welches uns auf die Tatsache hinweist, daß der reale Jesus nicht gezeigt wird. Die Ikone ist quasi wie eine Membrane vor uns, durch die das göttliche Licht auf jene trifft, welche das Bild betrachten, hinter dem sich auftut, wovon die Ikone erzählt. Man kann es sich als ein Fenster vorstellen, durch das man nicht nach draußen sieht, dank dessen aber der Raum erhellt wird.
Loder hat ein Übriges getan und vor die Ikone eine Glasplatte gesetzt, die bei passendem Licht ein Abbild des gegenüberliegenden Feldes per Spiegelung in das Bild einblendet; derzeit mit stehendem Getreide. Vor dem Bildstock eine stilistische Eigenwilligkeit, ein hölzernes Portal. Das hat Pfarrer Giovanni Prietl in seiner geistreichen Predigt als jene Türe betont, die jemandem geöffnet wird, die zum Eintreten einlädt, wobei es einem selbst überlassen bliebe, ob man denn eintreten möchte. Prietl setzte nach, es mißfalle ihm, wenn jemand erzogen werden solle, wie auch er selbst schwer erziehbar sei: „Das mag ich nicht!“ Die geöffnete Tür solle als ein Angebot verstanden werden.
Loder, der diese gesamte Anordnung anläßlich seines 60. Geburtstages auf den Punkt gebracht hat, unterstrich ausdrücklich diesen speziellen Aspekt des Albersdorfers „Garten der Freundschaft“ als einer Zone, welche zum Verweilen und Rasten offenstehe, aber auch zum Kennenlernen. Ein Ort, der niemandem verschlossen sei.
Das erwähnte Bürgermeister Robert Schmierdorfer in seinen begleitenden Worten ebenfalls. Eine Betonung von Begegnung und Miteinander, wie sie derzeit nicht überall im Land hochgehalten werden. Darauf bezog sich Pfarrer Prietl übrigens ganz ausdrücklich, indem er sagte, andere meinten, man müsse Zäune errichten, hier aber sei die geöffnete Tür zum Hauptmotiv bestimmt. (Prietl: „Wir brauchen selber nicht weit zu fahren und schon sind wir Ausländer.“)
Dazu war von Loder die Einladung ausgesprochen worden, Blumensamen mitzubringen und auf der Wiese zu verstreuen. Das meinte ausdrücklich den gesamten Garten und nicht etwa eingefriedete Beete. Also auch darin ein Symbol der Offenheit. Außerdem gibt es auf dem Areal ein kleiner Haufen an mitgebrachten Steinen, zu denen man im Vorbeikommen welche dazulegen soll, aber auch welche mitnehmen darf. So ist der „Garten der Freundschaft“ mit einigen Kommunikationslinien versehen, die ein feines Spiel von Anwesenheit und Abwesenheit ergeben.
Weiterführendes
-- Lanz Ernst, Freitag, 1. September 2023, 13:12