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Auf Adlers Schwingen in die Zukunft#

Dem Aufbau der Sozialdemokratie opferte Parteigründer Victor Adler viel. Selbst seine Familie litt darunter.#


Von der Wiener Zeitung (Freitag, 9. Juli 2010) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Zusammenstellung von

Richard Solder


Viktor Adler
V. Adler (1852–1918) starb einen Tag vor der Ausrufung der Republik
© Wiener Zeitung / Archiv, Repro M. Ziegler

Er sollte Aufdecker von sozialen Missständen, versierter Journalist, Publizist und politischer Wortführer werden. #

Dr. Wilhelm Richard Baier, Graz-Andritz, ergänzt: "Victor Adler war Einiger und Führer der österreichischen Sozialdemokratie, Haupt der Arbeiterbewegung und Mitbegründer der Ersten Republik." Manche hätten das dem jungen Adler wohl nicht zugetraut.

Brigitte Schlesinger, Wien 12: "Victor war ein schwächliches Kind, klein, und hatte einen Sprachfehler. Oft, wenn er im Unterricht aufgerufen wurde, stotterte er entweder .. . heftig oder brachte kein Wort heraus. In einer Sprechschule in Westfalen, welche er nach der Matura 1870 besuchte, befreite man ihn zumindest von den Exzessen dieses Sprachfehlers." Nicht nur wegen dieser Wandlung lohnt sich ein Blick auf Adlers Jugend.

Elisabeth Somogyi, Wien 11, informiert: Victor "kam am 24. Juni 1852 in Prag zur Welt. Als er drei Jahre alt war, zog die Familie nach Wien, hier besuchte er das Schottengymnasium im 1. Bezirk." Auch Josef Pflügler, Kamp/NÖ, verweist auf den Umzug Mitte der 1850er-Jahre.

Alexander Klissenbauer, Wien 6, zur Schulzeit: "Der um zwei Jahre ältere Engelbert Pernerstorfer war ein sehr guter Freund." Der zukünftige Journalist und Politiker (1850–1918) sollte Adler noch länger begleiten.

Bei den "Schotten"#

Plakat, V. Adler
Plakat für Wahlen zum alten Abgeordnetenhaus vor 1907
© Wiener Zeitung/Archiv, Repro M. Ziegler

Wie Franz Kaiser, Wien 11, betont, handelte es sich beim Schottengymnasium um "eine der besten Schulen Wiens".

Hildegard Rabel, Wien 1, erklärt, wie sich die Familie das leisten konnte: Victors Vater "Salomon Markus Adler besuchte die Talmudschule und erlernte das Handwerk seines Vaters, eines armen Tuchmachers." Lange musste er sich durchkämpfen. "Ab 1860 befasste er sich mit Realitätenhandel und erwarb sich im Laufe der Zeit ein großes Vermögen."

Ing. Helmut Penz, Hohenau/March, notiert: "Victor Adler studierte ... Chemie, anschließend ... Medizin an der Universität Wien .. . Er praktizierte als Assistent von Theodor Meynert", der Grundlegendes über Bau und Funktion des Gehirns erforschte.

Dr. Helga & Karl-Heinz Sigl, Wien 23: "Mit seinem Bruder Siegmund, der Rechtshistoriker wurde, traf er sich ab 1870 mit (Heinrich, Anm.) Friedjung und Pernerstorfer zu Diskussionsrunden über soziale und nationale Fragen."

Und zwar, wie Karl Meywald, Wien 20, anmerkt, "in der Adler’schen Villa in Döbling".

Deutschnationaler Flirt#

Erwin Kladiva, Wien 14: "Adler, der in seiner Studienzeit Burschenschafter war, engagierte sich in der national gesinnten Bewegung Georg von Schönerers. Er war an der Ausarbeitung des »Linzer Programms» beteiligt." Darin forderten die Verfasser 1882 eine Stärkung des deutschen Charakters der westlichen Hälfte der Monarchie sowie eine lose Union mit Ungarn. Daneben standen sie für eine Demokratisierung sowie für Presse- und Versammlungsfreiheit ein.

Herbert Beer, Wolfpassing, setzt fort: "Nach dem Scheitern des Programms und weil er seine sozialen Forderungen in der deutschnationalen Bewegung kaum noch berücksichtigt sah" schloss sich Victor Adler der damals zersplitterten sozialdemokratischen Bewegung an. "Vor allem der rasch wachsende Antisemitismus der Deutschnationalen hatte ihn von dieser Gruppierung Abstand nehmen lassen."

Juliana Adler
Juliana Adler, Victor Adlers Mutter, um 1880.
© Wiener Zeitung / Archiv, Repro M. Ziegler

Dr. Werner Lamm, Hollabrunn: "Adler konnte sich in der Arbeiterbewegung trotz seiner bürgerlichen Herkunft etablieren." Der Durchbruch gelang ihm 1885 bei einer Arbeiter-Versammlung "gegen die von Ministerpräsident Taaffe geplanten Sozialgesetze".

Mit großen Genossen#

Günter Hinze, Wien 8, berichtet: "Er begab sich auf Studienreise nach Deutschland, in die Schweiz und nach England. In London lernte er den »Alten Mann der Sozialdemokratie«, Friedrich Engels, ... kennen."

Dr. Edwin Chlaupek, Wien 3, weist darauf hin, dass Adler neben Engels mit anderen "Größen des Sozialismus bzw. Marxismus", wie August Bebel und Wilhelm Liebknecht, in engem Kontakt stand.

Dr. Manfred Kremser, Wien 18, mit einem weiteren interessanten Bekannten Adlers: "Gustav Mahler lebte ... in armen Verhältnissen und verdiente seinen Lebensunterhalt mit Klavierunterricht." Adler schaffte sogar einen von Mahler geprüften Konzertflügel an, der eines kultivierten Haushalts würdig war. "Hermann Bahr – ebenfalls in Adlers Freundeskreis – sagte später: »Adler gehörte zu den paar Wienern, für die Mahler gelebt hatte.«"

Dr. Günter Fostel, Wien 18, knüpft an: "Auf dem »Hainfelder Parteitag« (30. Dezember 1888–1. Januar 1889) gelang es Adler gemeinsam mit dem führenden Theoretiker Karl Kautsky (1854–1938), die verschiedenen sozialdemokratischen Gruppen, Gewerkschaften und Genossenschaften .. . zu vereinigen. Keine leichte Aufgabe."

Dr. Karl Beck, Purkersdorf, betont zu dieser historischen Versammlung: "Diese wurde im Bezirk Lilienfeld deswegen abgehalten, weil Graf Leopold Auersperg (1855–1918), mit dem letzten liberalen Ministerpräsidenten der siebziger Jahre verwandt, dort Bezirkshauptmann war .. . Die Wahl des Ortes ergab sich aus der Respektierung einer zahlenmäßig beachtlichen und sehr rührigen Lokalorganisation in Hainfeld."

Christine Sigmund, Wien 23, ergänzt: "In Wien schien das Klima für einen Parteitag nicht geeignet. in Hainfeld, in einem Ort, in dem sich Industrie befand", dagegen schon.

Friedrich Engels
Friedrich Engels (1820– 1895) traf Adler in London
© Wiener Zeitung / Archiv, Repro M. Ziegler

Eine Familie mit Sorgen#

Dr. Alfred Komaz, Wien 19: In dieser Zeit "häuften sich die Geldsorgen der Familie ... als Folge Adlers Aufwendungen für die sozialdemokratische Partei und die von ihm herausgegebene »Arbeiterzeitung«. Seine sensible Frau verfiel in .. . Depression und Wahnvorstellungen, denen der gelernte Nervenarzt Adler ratlos gegenüberstand."

Mag. Luise & Ing. Konrad Gerstendorfer, Dt.-Wagram, notieren Details zum Ehepaar Adler: Emma Braun wurde 1858 "als Tochter eines jüdischen Eisenbahningenieurs in Debreczin [damals dt. Name der ungarischen Stadt Debrec(z)en, Anm.] geboren ... Emmas ältester Bruder Heinrich fühlte sich für die Wahl eines geeigneten Ehemannes für seine Schwester verantwortlich. Er wollte Friedrich Nietzsche oder Victor Adler als Schwager." Und siehe da: "Adler lernte 1878 die Übersetzerin und Fremdsprachenkorrespondentin ... kennen und heiratete sie noch im selben Jahr."

Mag. Robert Lamberger, Wien 4, knüpft an: "Das Ehepaar hatte drei Kinder, Friedrich, Marie und Karl ... Victor Adler legte ... keinen Wert auf Luxus." Eine Zeitlang lebten sie in der Berggasse 19 (an diese Adresse sollte später ein gewisser Sigmund Freud ziehen), dann in Wien 6, Windmühlgasse 30a, später in der Blümelgasse. Der schon genannte Geschichtsfreund Dr. Kremser erinnert daran, dass HR Dr. Walther Schubert, Wien 13, in den Zeitreisen einst "von einem Madonnenbild in der Pfarrkirche zum Hl. Mauritius von Nußdorf am Attersee berichtet hat, wobei das Gesicht der Maria ein Porträt Emma Adlers gewesen ist."

Helmut Bouzek, Wien 13, ergänzt: "Sie durchschwamm ... mit Victor mehrmals den Attersee ... Emma war ... eine, nach den Berichten von Zeitgenossen, schöne Frau. So bat sie der Maler Em(m)anuel Oberhauser (1854–1919, Anm.), dass sie ihm für ein Marienbild Modell sitze."

Gerhard Toifl, Wien 17, zitiert dazu aus Emma Adlers Erinnerungen: "Als das fertige Bild den Altar schmückte, waren die Bauern entrüstet und riefen: »Des is ja d’Adlerin und nit an eichtel de Mutter Gottes!«."

Rudolf Brestel
Victor und Emma Adler 1886.
© Wiener Zeitung / Archiv, Repro M. Ziegler
Mathilde Lewandowski, Payerbach: "1887 erschien Emmas erste Veröffentlichung, ... eine Reminiszenz an Goethe, ihre lebenslange Liebe ... Ihr Hauptwerk »Die berühmten Frauen der französischen Revolution«" folgte 1906.

Dr. Beck nennt die Probleme, die Victor Adler für den Aufbau der österreichischen Sozialdemokratie auf sich nahm: "Außer ... finanziellen Opfern brachte ihm seine politische Tätigkeit zwischen 1887 und 1900 17 Anklagen vor Gericht" und viele Monate Arrest ein.

Auch einen ganz entscheidenden Tag musste er hinter Schloss und Riegel verbringen: MedR DDr. Othmar Hartl, Linz, zitiert aus einem Brief Adlers an Engels über den 1. Mai 1890, den ersten internationalen Kampftag der Arbeiter: "Die Esel meinen, ich werde am 1. Mai mit Bomben im Sack im Prater spazieren gehen, und wollen mich durchaus den Tag »drin« haben. Es war ein langer Nachmittag ... Gegen zehn Uhr abends kam noch mein Aufseher und berichtete: »Es ist alles ruhig abgelaufen, und großartig soll’s gewesen sein«."

Erste allgemeine Wahl#

Der Anfang einer Erfolgsgeschichte.

Alexander Klissenbauer, Wien 6, verweist auf die ersten allgemeinen Wahlen für Männer im Mai 1907: Die Sozialdemokraten erhielten 87 von 516 Mandaten und wurden so zweitstärkste Partei im Parlament.

Maria Thiel, Breitenfurt: "In den folgenden Jahren kämpfte Adler in der Außenpolitik gegen den drohenden Krieg." Als dieser dann jedoch ausbrach "ordnete er seine Überzeugung den ... nationalen Interessen unter – eine Haltung, an der sein ... Sohn Friedrich verzweifelte".

Klaus-Peter Josef, Tulln, weiter: "Aus Protest gegen den Ausnahmezustand .. . und zur »Aufrüttelung« der Arbeiterbewegung erschoss Friedrich am 21. Oktober 1916 den Ministerpräsidenten Karl Graf Stürgkh."

Maria Thiel, Breitenfurt: "Die Einigung der drei großen Parteien zur Gründung Deutschösterreichs war nicht zuletzt Adlers Werk." Wenige Tage nach seiner Ernennung zum Staatssekretär des Äußeren erlag der Vorsitzende der, wie man oft spöttisch sagte, "k. k. priv. Socialdemokratie" am 11. November 1918 seinem Herzleiden, "ausgerechnet einen Tag vor Ausrufung der Republik".

Prof. Brigitte Sokop, Wien 17, mit einer Anekdote aus der Zeit knapp vor Adlers Ableben: Er musste einen Termin bei Kaiser Karl verschieben, weil er Sohn Friedrich "nach der Haft in Stein am Bahnhof abholen müsse. Dann fuhren sie ... nach Schönbrunn und der begnadigte Attentäter wartete im kaiserlichen Auto die Verhandlungen zwischen dem Kaiser und seinem Vater ab."

Christine Sigmund, Wien 23, bringt eine Überlieferung zum Todestag: "Am Morgen des 11. November wurde Friedrich Adler von seinem Vater ... gefragt: »Kennt man schon die Friedensbedingungen?« »Ja.« »Sind sie schwer?« »Ja.« »Sehr schwer?« »Ja«, bekam er von seinem Sohn zur Antwort. Er konnte seinem Vater nichts vormachen..."

Wiener Zeitung, Freitag, 9. Juli 2010


Der Historiker Heinrich Friedjung gehörte zum engsten Freundeskreis Adlers und prägte dessen Einstellung zur "Deutschen Frage" entscheidend, was sich auch in der Zustimmung der Sozialdemokraten zu den Krediten für den Ersten Weltkrieg deutlich niederschlug ....

-- Glaubauf Karl, Dienstag, 10. September 2013, 09:15


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